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Die PEKING und der Salpeterabbau in Chile

Mai 2020
Von Jasmin Alley

Anhand des Rohstoffes Salpeter, den die Viermastbark PEKING transportiert hat, erfahren wir, wie die Arbeitsbedingungen in den Salpeterminen in Chile aussahen – so wird das Schiff und die Stadt Hamburg mit der Geschichte Chiles verknüpft.

Arbeiter in der Oficina „Chile“, die den Ripio – den ausgelaugten Caliche – aus einem Kessel räumen, Foto: Curt Francke, 1925, Bestand Robert Krieg und Monika Nolte

Die Arbeit am Salpeterabbau 

Eine der Geschichten, die dieser Rohstoff erzählt, ist die Ausbeutung der Arbeitskraft der Salpeter-Arbeiterinnen und Arbeiter in Chile und ihr Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Die größten Salpetervorkommen liegen in der Atacamawüste im Norden Chiles. Teile dieser Region gehörten zu Bolivien und Peru. Chile eroberte diese Regionen im Pazifikkrieg (1879-1883) und hatte danach das weltweite Monopol auf den Abbau von Salpeter. Die Atacama ist die wasserärmste Region der Erde mit extremen Temperaturschwankungen. Die Tagestemperatur kann auf 40°C Grad klettern und die Nachttemperaturen auf 2°C Grad oder weniger fallen.

Ungerechtigkeiten in den Oficinas 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bauten in der Atacama 90 Salpeterwerke den gefragten Stoff ab. Die Salpeterwerke oder Oficinas, wie der gesamte Ort des Salpeterabbaus genannt wurde, bestanden neben dem Werk aus Wohnsiedlungen; Pulperias, Einkaufsläden, die von der Firmenleitung betrieben wurden, Bäckereien; Metzgereien, Krankenhäuser, Schulen, Sportstätten und Theatern. Der Lohn der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Oficinas lag leicht über dem Lohnniveau der Bauern und anderen Tagelöhnern in Chile, doch war die Arbeit anstrengend und gesundheitsgefährdend. Außerdem bekamen die Arbeiterinnen und Arbeiter ihren Lohn in sogenannten Fichas, Geldmarken, die nur in den Pulperias der Oficinas eingetauscht werden konnten und teurer waren als Läden in den benachbarten Städten. Gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wehrten sich die Arbeiter immer wieder erfolglos. Zu ihren Forderungen gehörten unter anderem exakte Waagen in den Pulperias für die dort verkauften Waren, Abschaffung der Bezahlung in Fichas, Stabilität der Gehälter durch einen festem Wechselkurs zwischen ausländischen Währungen und der heimischen sowie das Verbot, minderwertigen Caliche (Gestein, in dem der Salpeter steckt) zu verarbeiten, Arbeitsschutz, Beschäftigungssicherheit, Schule und Bildung für ihre Kinder, Kündigungsschutz.

Das Massaker von Iquique 

Das Graffiti zeigt streikende Salpeterarbeiter, rechts ist die Schule Santa María de Iquique zu sehen, in der am 21. Dezember 1907 das gleichnamige Massaker stattfand, bei dem mehr als 2.000 Menschen ermordet wurden. Die Erinnerung an das Massaker gehört zum kollektiven Gedächtnis der Chilen*innen. Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grafiti_Mapocho_2015_10_26_fRF_06.jpg

Der Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in den Salpeterwerken eskalierte am 21. Dezember 1907 in der Hafenstadt Iquique. Das chilenische Militär erschoss 2000 Männer, Frauen und Kinder in der „Escuela Santa María“ nachdem sie sich weigerten, die Schule zu räumen. Die Militärs verscharrten die Ermordeten in einem Massengrab. Dem Massaker ging ein Streik voraus. Arbeiterinnen und Arbeiter aus den Salpeterwerken aus der gesamten Salpeterregion Chiles versammelten sich in der Hafenstadt Iquique, in der ein großer Teil des Salpeters auf die Schiffe nach Europa verladen wurde. Deutsche, Briten und einige Chilenen waren die Besitzer der Salpeterwerke. Sie lehnten Verhandlungen mit den Arbeitern und Arbeiterinnen ab. Das Militär, eigentlich als Schlichter eingesetzt, handelte im Sinne der ausländischen und inländischen Eliten. Aus diesem Grund erinnern Chilenen wahrscheinlich noch heute an das Massaker von Iquique. Es ist ein wichtiges Ereignis, das zur Entstehung der Arbeiterbewegung in Chile beigetragen hat, und es verkörpert die Komplizenschaft des Militärs mit den wirtschaftlichen Eliten und eignet sich daher als kollektiver Bezugspunkt während der Militärjunta unter Pinochet, aber auch noch heute.