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Die PEKING kehrt zurück nach Hamburg

November 2016
Von Ursula Richenberger

Eine legendäre good old lady – Jahrgang 1911, eleganter stählerner Rumpf, vier schlanke gelb lackierte Extremitäten – ist wieder zu Hause. Seit September 2020 hat die PEKING, einer der letzten großen Flying P-Liner der Hamburger Reederei F. Laeisz, in Hamburg beim Hafenmuseum festgemacht.

Die PEKING gehört zu den letzten großen Frachtseglern, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund ihrer Geschwindigkeit, Sicherheit und Präzision noch gegen Dampf- und Maschinenschiffe antreten konnte. Das stellte sie als Transportschiff für den damals stark nachgefragten Salpeter aus Chile unter Beweis. Salpeter (Natriumnitrat) aus der Atacamawüste wurde als Stickstoffdünger und bei der Schwarzpulverherstellung eingesetzt. In Iquique, Taltal oder Mejillones dauerte der Ladevorgang mehrere Wochen: 5.000 Tonnen Salpeter – das entspricht 33 Waggonladungen – mussten säckeweise geladen werden. Der Boden des Schiffs wurde mit Holzlatten, Schilf- und Bastmatten ausgelegt, damit Leck- und Schwitzwasser abfließen konnten. Dann wurden die Säcke von kleineren Schiffen aus mit Handwinden an Bord gehievt und abwechselnd quer- und längsschiff in den Luken eingestaut, in Pyramidenform, um den Schwerpunkt der Ladung zu erhöhen. Bei richtiger Ausführung war die Stabilität von Ladung und Schiff dann so gut, dass auch das ständige Kreuzen bei starken Winden und hohem Wellengang vor Kap Hoorn die Ladung nicht ins Rutschen brachte. Die See vor der Südspitze Südamerikas ist mit über 800 Wracks einer der größten Schiffsfriedhöfe der Welt. Kapitäne, die das gefürchtete Kap auf einem Segler ohne Hilfsmotor, wie es die PEKING ist, umrundeten, wurden in die erlesene Gemeinschaft der Kap Hoornier aufgenommen.

Die Gewinne waren enorm 

Bis zur Eröffnung des Panamakanals 1914 war die Route trotz aller Unwägbarkeiten die günstigste Möglichkeit, von Europa zur Westküste Südamerikas zu gelangen. Und die Fahrt lohnte sich für den Reeder. Bei minimalen Verlustraten der sicheren P-Liner und enormen Gewinnen durch den Salpeterverkauf war das Risiko kalkulierbar. Das schwarze Überwasserschiff der PEKING – unter Wasser war es rot, die Wasserlinie weiß, ein reichsdeutscher Nationalfarben-Dreiklang – strahlte schon aus der Ferne Zuverlässigkeit und Kraft aus. Und das, obwohl ihr Name wie der aller Schiffe der P-Liner-Klasse auf ein weniger eindrucksvolles Tier zurückzuführen ist: den »Pudel«. So lautete der Spitzname der – lockenköpfigen – Gattin des Reeders Carl Laeisz.

Das vergrößerte Ruderblatt der PEKING. Foto: Joachim Kaiser
PEKING aufkommend, 100×70 cm oil, Angelika Kahl 2017
BAUJAHR 1910/11, Jungfernfahrt am 22.06.1911 nach Chile
REEDEREI F. Laeisz, Hamburg
WERFT Blohm & Voss, Hamburg
TYP Viermastbark, Rumpf, Masten und Rahen aus Stahl
HÖCHTGESCHWINDIGKEIT 17 Knoten
BESATZUNG 31 Mann (Frachtschiff), 
74 Mann (Schulschiff)

LÄNGE ÜBER ALLES 115 m

BREITE 14,40 m
TIEFGANG 7,24 m
SEGEL 32 mit ca. 4.600 qm Segelfläche und 350 Hissleinen
LADEKAPAZITÄT 5.300 t
HÖHE GROSSMAST 54 m über Wasserlinie

Schweineställe an Deck 

Gebaut wurde die Viermastbark bei Blohm & Voss als »Drei-Insel-Schiff«: An Deck, das mit hochwertigem Oregon-Pitchpine belegt war, befindet sich in der Mitte der über die ganze Schiffsbreite reichende Brückenaufbau mit Kartenhaus, Ruderstand, Kombüse und Mannschaftsunterkünften; auf dem Vorschiff ist die Back für Vorratsräume und Werkstätten und auf dem Achterschiff die Poop mit Ersatzruder, Hobelbank, Kammer für den Schiffsjungen und Krankenstation. Die Seeleute wohnten recht beengt in zwei Kammern, Kapitän und Erster Offizier hatten Einzelunterkünfte mit eigenem Sanitärbereich. Da die Überfahrt vom englischen Lizard am Ausgang des Ärmelkanals bis Chile rund 74 Tage dauerte, gab es an Deck zwei eiserne Schweineställe für die Frischfleischversorgung, sicherlich hilfreich, um die Männer bei Laune zu halten. Zu den normalen Segelmanövern kamen Ruder- und Wachegehen, Backschafts- und Kombüsendienst, Klardeck- und Reinschiffmachen und Reparaturen. Da kam kaum Langeweile auf. Trotzdem durften eine raue Äquatortaufe oder das rauschende Salpeter-Fest, das mit Shanties (“Rolling home”), Rotwein und frisch gebackenen Berlinern am Abend vor dem Auslaufen in Chile gefeiert wurde, eine willkommene Abwechslung gewesen sein.

PEKING im Hafen von New York, 40×30 cm oil, Angelika Kahl 2017

Das bittere Ende: gegen die schnellen Dampfschiffe hatten die Frachtsegler keine Chance. sie wurden abgewrackt, zu Schulschiffen oder zum Museum. Wie die Peking.

Der Erfolg der Flying P-Liner, von denen 65 gebaut wurden, gründete außer auf dem perfekten Zusammenspiel der rund 30-köpfigen Mannschaft auch auf der verlässlichen Schnelligkeit der »fliegenden« Segler. Die Effizienzsteigerung bei Dampf- und Maschinenschiffen läutete dann aber das Ende dieser Erfolgsgeschichte ein. Und die großen Salpeterfahrten wurden durch die Erfindung des künstlichen Düngers nach dem Ersten Weltkrieg und die Eröffnung des Panamakanals besiegelt. Nach 17 erfolgreichen Salpeterfahrten aus Chile unter sechs Kapitänen wurde die PEKING 1932 an die Shaftesbury Homes & Arethusa Training Ship Company verkauft, in ARETHUSA umbenannt und als Schul- und Internatsschiff auf dem River Medway östlich von London eingesetzt. 1974 wurde das Schiff versteigert und von amerikanischen Mäzenen, allen voran dem New Yorker Kaffeeimporteur Jack R. Aron, für 6,5 Millionen Dollar wiederhergestellt und am Haken eines holländischen Hochseeschleppers nach New York verbracht. Hier, auf dem East River zu Füßen der berühmten Brooklyn Bridge, lag der imposante Viermaster wieder unter seinem alten Namen und diente dem South Street Seaport Museum als Museumsschiff.

Die PEKING und das Chilehaus

Die hohen Gewinne aus dem Salpeterhandel haben es dem Hamburger Geschäftsmann Henry B. Sloman ermöglicht, das vielleicht imposanteste Kontorhaus der Welt in Hamburg zu bauen, das  Chilehaus. Das Haus wurde aus 4,8 Mil. Backsteinen, optisch an einen Schiffsbug erinnernd, von Fritz Höger entworfen und zählt seit kurzem zum UNESCO Welterbe.

Das Chilehaus in Hamburg 
Foto: www.mediaserver.hamburg.de / Maxim Schulz


Neue Attraktion für Hamburg 

Die Krulle oder Volute der PEKING. Foto: Jens Marjanczik

2017 wurde die nicht seetüchtige PEKING zurück nach Deutschland überführt – rolling home, to good old Hamburg! Auch dieses »Kap« hat das legendäre Schiff genommen. Drei Jahre lang hat die Stiftung Hamburg Maritim das Schiff auf der der Peters Werft in Wewelsfleth restauriert. Im September 2020  ist die old lady in Hamburg endlich wieder in Hamburg eingetroffen. Als Museumsschiff des Deutschen Hafenmuseums fügt sie sich ein in den illustren Damenclub, bestehend aus den Flying P-Linern POMMERN (Jg. 1903, Museumsschiff vor Mariehamn/Finnland), PASSAT (Jg. 1911, Museumsschiff vor Travemünde) und KRUZENSHTERN ex PADUA (Jg. 1926, aktives russisches Segelschulschiff). Und die PEKING komplettiert das maritime Dreigestirn zusammen mit der RICKMER RICKMERS und der CAP SAN DIEGO, das ein Leuchten bei den Besucher:innen hervorruft und von der erfolgreichen Seefahrergeschichte Hamburgs erzählt.


Die Chronik der Peking

25.02.1911 Stapellauf bei Blohm+Voss in Hamburg.
16.05.1911 Ablieferung an die Reederei F. Laeisz.
22.06.1911 Erste Fahrt unter Kapitän Hinrich Nissen. Rückkehr mit Salpeter aus Chile nach Europa.
28.08.1914 Internierung in Valparaíso/Chile bis Ende des 1 Weltkrieges.
1920 Überführung nach London unter Kapitän Heinrich August Georg Oellrich. Nach dem Vertrag von Versailles muss die PEKING an Italien abgeliefert werden.
1923 Die Reederei F. Laeisz kauft das Schiff für 8500 englische Pfund Sterling zurück. Die PEKING wird für Laeisz wieder in der Chile-Fahrt eingesetzt.
1927 Das Poopdeck der PEKING wird um zehn Meter verlängert, da sie nun als frachtfahrendes Segelschulschiff genutzt werden soll.
1928 – 1931 Kapitän Max Jürgen Heinrich Jürs führt das Schiff in dieser Zeit über drei Rundreisen Hamburg – Chile – Hamburg.
09.09.1932 Verkauf an die Shaftesbury Homes and Arethusa Training Ship Co. in England für 6250 Pfund Sterling. Umbau zum stationären Schulschiff. Umbenennung in ARETHUSA.
1939 – 1945 Requirierung im zweiten Weltkrieg durch die Royal Navy. Umbenennung in HMS PEKING.
1945 – 1975 Rückbenennung auf den Namen ARETHUSA und aktiv als Internatsschiff.
1974 Verkauf an das South Street Seaport Museum in New York für 70000 Pfund Sterling.
1975 Die ARETHUSA wird nach New York geschleppt und erhält den Originalnamen PEKING zurück.
2002 Beginn der Verhandlungen über eine Rückführung nach Hamburg durch Mitglieder des heutigen Vereins.
12.11.2015 Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschließt, die PEKING nach Hamburg zu holen. Die Stiftung Hamburg Maritim wird mit der Rückholung und Restaurierung der PEKING beauftragt.
07.09.2016 Verholen der PEKING von Ihrem langjährigen Liegeplatz am South Street Seaport Museum, Pier 16 in Manhattan, New York, zur Werft Caddell Dry Dock & Repair Co. auf Staten Island.
18.07.2017 Überführung der PEKING von New York nach Deutschland im Dockschiff COMBI DOCK III.
02.08.2017 Die PEKING wird in Brunsbüttel ausgedockt und hat seit 85 Jahren zum ersten Mal wieder Elbwasser unter dem Kiel. Mit Schlepperhilfe wird sie in die Stör zur Peters Werft in Wewelsfleth bugsiert.
2017 – 2020 Restaurierung von Rumpf und Takelage sowie Ertüchtigung der PEKING für den barrierearmen Besucherbetrieb.
15.05.2020 Übergabe der PEKING von der Stiftung Hamburg Maritim an die Stiftung Historische Museen Hamburg.
07.09.2020 Überführung der PEKING von der Peters Werft zum Hafenmuseum in Hamburg.
08.09.2021 Start der Baustellenführungen an Bord der PEKING durch Guides der Freunde der PEKING e.V.

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