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Steinway & Sons Mit Flügeln in die ganze Welt

August 2016
Von Sabrina Werner

Der internationale Erfolg des Pianounternehmens Steinway & Sons wäre ohne das Hamburger Werk undenkbar. Wir erzählen die spannende Geschichte des deutschen Klavierbauers Heinrich Engelhard Steinwegs alias Henry E. Steinway.

Von Hamburg nach New York 

Am 29. Mai 1850 brach die „Helena Sloman“ als erster deutscher Transatlantikdampfer zu ihrer Jungfernfahrt von Hamburg nach New York auf. Der Hamburger Reeder Robert Miles Sloman hatte den Auswanderungsmarkt für sich entdeckt, der hohe Gewinne versprach und bis dahin fest in Bremer Händen lag. Auch etablierte Geschäftsleute und Handwerker zog es während der größten Auswanderungswelle des 19. Jahrhunderts in die neue Welt. Die wirtschaftlichen Perspektiven nach der gescheiterten Revolution von 1848 waren in dem zersplitterten und immer noch durch Zunftbeschränkungen gehemmten Deutschland schlecht.

Unter den Auswanderern an Bord der„Helena Sloman“ waren auch der 53jährige Heinrich Engelhard Steinweg (1797-1871) mit seiner Frau Juliane und drei seiner fünf Kinder. Der erfolgreiche Klavierbauer aus dem kleinstädtischen Seesen sah in der deutschen Provinz keine Zukunft für sein Unternehmen. Seine Produktionszahlen wurden von der Zunft beschränkt und die zahlreichen Regionalgrenzen machten Verkäufe kompliziert und kostspielig. Für Steinweg war klar: Hier war der Lebensunterhalt für die Familie langfristig nicht mehr zu sichern. Wesentlich für den wirtschaftlichen Aufstieg der Steinwegs war die Braunschweiger Gewerbeausstellung von 1839, auf der die hauseigenen Klaviere mehrere Preise gewannen. Entscheidend für die weitere Entwicklung war auch die Förderung durch Albert Methfessel. Der Verfasser des Hammonia-Liedes und Komponist in Hamburg war Juror bei besagter Veranstaltung und gab sich in der Öffentlichkeit von der einzigartigen Qualität der Steinweg-Instrumente begeistert. Diese Wertschätzung aus der professionellen Musikwelt blieb auch für den späteren, weltweiten Erfolg der Firma ein entscheidendes Kriterium.

Geschäftsaufbau in den USA 

Sorgfältig ausgesucht und über viele Jahre abgelagert: Die Holzbestände sind ein wichtiges Kapital des Pianobauers

Das Ziel der Steinwegs hieß New York – damals Zentrum der US-amerikanischen Musikkultur und des Klavierbaus. Kaum eingetroffen amerikanisierte die Familie ihren Namen: Aus Heinrich Engelhard Steinweg wurde Henry E. Steinway. Zunächst arbeiteten Vater und Söhne in verschiedenen New Yorker Pianofabriken, um die lokalen Gepflogenheiten kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Drei Jahre nach ihrer Ankunft eröffnete die Familie 1853 die eigene Fabrik „Steinway & Sons“. Sie entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten zu einer der erfolgreichsten und bekanntesten Pianofabriken der Welt – und öffnete den Steinways die Tür zur New Yorker High Society. Überragend waren die Innovationen und die Technik der SteinwayKlaviere, die in Kombination mit ausgefeilten und modernen Marketingmaßnahmen zum Erfolg des Unternehmens führten. So wurde 1866 in New York die Steinway-Hall eröffnet. Dieser Konzertsaal mit angeschlossenen Verkaufsräumen erwies sich als so erfolgreich, dass 1875 ein zweiter in London eröffnet wurde. 

Der Sprung nach Hamburg und Europa 

Die Steinway Instrumente feierten auf internationalen Ausstellungen immer wieder große Erfolge und machten den eingesessen europäischen Firmen wie Bechstein und Bösendorfer Konkurrenz. Das ließ die Nachfrage auch außerhalb der USA steigen. Und als die Frage aufkam, wie der weltweite Markt besser zu bedienen wäre, wurde 1880 eine Hamburger Niederlassung als „Steinways Pianofabrik“ in der damaligen Neuen Rosenstraße(der heutigen Schanzenstraße) eröffnet. Dieses operierte zwar selbständig, trug aber wesentlich zur wirtschaftlichen Gesundheit des Gesamtunternehmens bei. 1898 wurde sie in eine Zweigniederlassung der amerikanischen Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Leitung übernahmen Direktoren, die im New Yorker Mutterbetrieb Erfahrungen gesammelt hatten. Die Entscheidung für Deutschland und Hamburg fiel 1880 aus mehreren Gründen: Der Hamburger Hafen bot die nötige Infrastruktur zur weltweiten Verschiffung der Pianos und der projektierte Freihafen lockte mit der Befreiung von Einfuhrund Ausfuhrgebühren. Auch produktionstechnische Gründe sprachen für einen Standort in Europa: Das feuchtere Klima in Europa und Südamerika verlangte nach einer aufwendigen, von Hand aufgetragenen atmungsfähigen Lackierung. Die europäische Kundschaft wünschte Verzierungen, Schnitzereien und Gravuren. All dies war arbeitsund zeitintensiv in der Produktion und damit in den USA aufgrund der höheren Löhne ungleich teurer. Außerdem hatte man in New York mit einem Arbeitskräftemangel und der Arbeiterbewegung zu kämpfen. Die Arbeiter streikten und in der Folge stockte die Produktion – es entstanden Verluste, die Preise stiegen. In Hamburg wurde ein patriarchalisches System gepflegt, das einerseits streng, aber andererseits auch entgegenkommend war. So gelang es der Firmenleitung, die gut ausgebildeten Arbeiter weitgehend von politischen Betätigungen fernzuhalten. Von 1923 bis 1928 baute man eine neue Fabrik am Rondenbarg im damals noch preußischen Bahrenfeld. Am Standort in der Schanzenstraße blieb die Verwaltung. Ab 1904 besaß Steinway auch elegante Verkaufs räume am Jungfernstieg 34. Das 2005 geschlossene Steinway-Haus in den Colonnaden wurde 1953 Sitz der Verwaltung und einer stadtbekannten Musikalienund Instrumentenhandlung.


Steinway & Sons

Die Firma Steinway & Sons wurde 1853 vom deutschen Auswanderer Henry E. Steinway (vormals Heinrich Engelhard Steinweg; 1797–1871) und seinen Söhnen in New York gegründet. Sie entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten zu einer der erfolgreichsten und bekanntesten Pianofabriken der Welt und besaß ab 1880 mit der Steinways Pianofabrik auch eine Niederlassung in Hamburg.

In den 1970er-Jahren verkaufte die Familie die Firma an den Medienkonzern CBS. Mittlerweile ist Steinways & Sons Teil der Steinway Musical Instruments Inc. 2013 wurde die gesamte Aktiengesellschaft von John Paulsen, einem der reichsten Männer der Welt, für 512 Millionen US-Dollar gekauft. 

Bis heute ist die führende Rolle der Steinway Flügel unbestritten: Über 90% der Konzertpianisten weltweit spielen auf Instrumenten der Firma. Auch die drei Konzertflügel in der Elbphilharmonie sind von Steinway & Sons.

Die Saiten werden mit einer Gewichtskraft von mehreren Tonnen gespannt: Die Gußeisenplatte als tragendes Element war eine Innovation Steinways

Die Weltkriege: Deutsche in Amerika – Amerikaner in Deutschland

Für die amerikanische Firma Steinway & Co. brachten die beiden Weltkriege in Deutschland aber auch in den USA schwierige Zeiten. In beiden Ländern wurden sie jeweils kritisch beäugt. Im 1. Weltkrieg brach die Verbindung zum Hamburger Betrieb ab, der vorher beträchtliche Gewinne eingebracht hatte. Nach dem Kriegseintritt der USA wurde die Fabrik unter Überwachung gestellt. Eine Liquidierung konnte durch Fürsprache deutscher Aktionäre abgewendet werden. Mit Beginn des 2.Weltkriegs schürten Konkurrenten in Amerika die antideutsche Hysterie: „Kauft nicht bei Nazis!“. Trotzdem stellte Steinway schließlich für die amerikanische Regierung die berühmten G.I. Pianos oder Victory Verticals her. Die leichteren und gut zu transportierenden Instrumente waren speziell für den Einsatz bei den Truppen konzipiert worden.

Das Firmenzeichen entwarf die Familie selbst: Eine antike Lyra gebildet aus zwei “S” und Pianopedalen

Im Gegenzug drohte in Deutschland schon 1936 die Verstaatlichung des Hamburger Betriebs, da Hitler die Steinways fälschlicherweise für Juden hielt. William R. Steinway (1899-1960), Enkel des Firmengründers Henry E. Steinway und Generaldirektor für Europa, reiste 1939 mit dem letzten Schiff in die USA zurück. Für die Dauer des Krieges war die Verbindung zwischen Hamburg und New York getrennt. Wirtschaftlich war die Nazi-Herrschaft für die Steinways eine schwierige Zeit, da Hitler den Berliner Klavierfabrikanten Bechstein bevorzugte. Als die USA 1941 in den Krieg eintraten, wurde die Hamburger Steinway-Fabrik zu Feindvermögen erklärt. Der eingesetzte Verwalter erwies sich zwar als wohlwollend, jedoch mussten auf Regierungsanordnung die wertvollen Holzvorräte zum Bau von Flugzeugattrappen, Betten für Luftschutzbunker und Gewehrkolben verwendet werden. Während der Operation Gomorrha 1943 wurde die Verwaltung in der Schanzenstraße vollständig zerstört. Dabei gingen die historischen Aufzeichnungen über den Hamburger Betrieb verloren. 1944 und 1945 trafen Bomben dann die Fabrik am Rondenbarg. Nach Kriegsende wurde die Fabrik unter Aufsicht der Britischen Militärregierung gestellt. In der schwierigen Versorgungslage der Nachkriegszeit trafen für die Hamburger Belegschaft immer zahlreiche Care-Pakete aus New York ein. Ab 1948 konnten in der Hamburger Fabrik endlich wieder neue Klaviere hergestellt werden. Bis heute werden dort die weltbekannten Steinway Pianos produziert und Interessenten können in den angeschlossenen Verkaufsräumen die Instrumente ausprobieren und aussuchen.

In den 1950er und 1960er Jahren ging es mit Steinway weiter bergauf, dann traten bedingt durch Streiks, gerichtliche Auseinandersetzungen und ein abnehmendes Interesse der Familie am Geschäft vermehrt Probleme auf, die schließlich zum Verkauf an den Medienkonzern CBS führte, der mehrere Instrumentenbauer, u.a. auch Fender, Rogers und Rhodes erwarb. Henry Z. Steinway, Ur-Enkel des Firmengründers, leitete die Firma 1955 bis 1977 und war somit der letzte Geschäftsführer, der aus dem Familienclan stammt. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2008 für Steinway tätig. Heute ist Steinways & Sons nach einem weiteren Verkauf an Investoren Teil der Steinway Musical Instruments Inc. 2013 wurde die gesamte Aktiengesellschaft von einem der reichsten Männer der Welt, John Paulsen, für 512 Millionen US-Dollar gekauft. Paulsen nahm das Unternehmen von der Börse und kündigte Ende 2015 Millioneninvestitionen an – u.a. auch für die Produktionsstätte in Bahrenfeld.


Heinrich Engelhard Steinweg (Henry E. Steinway) 

Heinrich Engelhard Steinweg (* 22. Februar 1797; † 7. Februar 1871) war ein deutscher Klavierbauer und Gründer der Firma Steinway & Sons. Er stammte aus der Kleinstadt Seesenin Niedersachsen und wanderte 1850 zusammen mit seiner Frau Juliane sowie drei seiner fünf Kinder nach Amerika aus, weil er in der deutschen Provinz keine Zukunft für sich sah. In New York eingetroffen, amerikanisierte er seinen Namen: Aus Heinrich Engelhard Steinweg wurde Henry E. Steinway.

Um die lokalen Gepflogenheiten kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen, arbeitete Steinway und seine Söhne zunächst in verschiedenen New Yorker Pianofabriken. 1853gründeten sie mit „Steinway & Sons“ ihre eigene Firma und bauten diese zu bekanntesten Pianomarke der Welt aus.


Steinway in der Hamburger Elbphilharmonie 

Die führende Rolle der Steinway Flügel ist unbestritten: Über 90% der Konzertpianisten weltweit spielen auf einem Steinway Instrument. Seit den 1870er Jahren konnte das Unternehmen immer wieder Steinway Artists als Botschafter der Qualitätsmarke gewinnen, darunter Musiker und Komponisten wie Anton Rubinstein, Sergei Rachmaninoff, George Gershwin und Cole Porter. Heute gehören u.a. Lang Lang und Daniel Baremboim dazu. Und auch John Lennons berühmter weißer Flügel war ein Steinway. Wenn Anfang 2017 die Hamburger Elbphilharmonie eröffnet, sollen auch dort Steinway Instrumente zum festen Inventar gehören. Die Auswahl nimmt auf Wunsch von Generalintendant Christoph Lieben-Seutter die bekannte Pianistin Mitsuko Uchida vor. Noch konnte das ideale Instrument nicht gefunden werden, aber in den kommenden Wochen soll ein neuer Versuch gestartet werden, um den perfekten Steinway für Hamburgs Prestigeprojekt zu finden.