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Januar 2020

Hamburg galt im 18. Jahrhundert als Zentrum der Musikwelt und Hochburg des Instrumentenbaus in Europa. Vor allem Orgeln und Tasteninstrumente von außergewöhnlicher Qualität wurden in der Stadt gefertigt. Das Cembalo des Hamburger Instrumentenbauers Carl Conradt Fleischer aus dem Jahr 1716 ist ein beeindruckendes Zeugnis dieser Zeit und des Hamburger Cembaloklangs. 1979 wurde es in New York gefunden und für das Museum gesichert. Seit 1982 wird das Cembalo in der Dauerausstellung präsentiert und regelmäßig bespielt. In unserem Dossier lernen Sie das einmalige Instrument digital kennen und tauchen in das musikalische Hamburg des 18. Jahrhunderts ein.

Musikstadt Hamburg im 18. Jahrhundert 

Anfang des 18. Jahrhunderts ging von Hamburg, ganz entgegen seinem Ruf als von Pfeffersäcken beherrschten Kaufmannsstadt, ein einmaliges kulturelles Flair aus. Prägende Persönlichkeiten wie Barthold Hinrich Brockes, Adolf Hasse, Georg Philipp Telemann und Carl Philipp Emanuel Bach wirkten in der Stadt. Mit ihnen wandelte sich der institutionelle Rahmen des öffentlichen Musizierens grundlegend:

1678 hatte die erste Bürgeroper am Gänsemarkt ihre Türen geöffnet. Sie läutete die sukzessive Säkularisierung der Musikpflege in der Hansestadt ein. Das privatwirtschaftlich geführte Opernhaus, angelehnt an das Teatro San Cassiano in Venedig und die Aufführungspraxis der  europäischen Metropolen, wurde gut angenommen und konnte immer neue Aufführungs- und Besucherrekorde verzeichnen. Anfangs wurde aus Rücksicht auf die Geistlichkeit, der die Stätte ein Dorn im Auge war, auf biblische Stoffe zurückgegriffen, aber bald hielte unsittliche Stoffe Einzug und verursachten immer wieder Skandale.

Dass die Musik selbst in die Administration Einzug hielt, beweist die Person Brockes: 1720 zum Ratsherrn ernannt, war er parallel einer der bekanntesten Dichter des Barock. Sein Passionstext wurde unter anderen von Telemann, Händel und Mattheson vertont.

Heinecken: Gänsemarktoper, erbaut von dem Theaterarchitekten Girolamo Sartorio im Jahre 1677, am 2. Januar 1678 als Opernhaus eröffnet. Foto: SHMH/Museum für Hamburgische Geschichte

Unser Experte 

Michael Fuerst ist Cembalist und Musikwissenschaftler. In seinen musikalischen Führungen im Museum für Hamburgische Geschichte macht er die Zeit des Barock anhand von Erläuterungen, Exponaten und Klangbeispielen anschaulich erlebbar.


Konzertwesen 

Neben dem Einsatz bei Gottesdiensten und zu Hofe entwickelte sich die Aufführungsform des Konzerts als Form der bürgerlichen Musikvermittlung. Bereits seit dem 16. Jahrhundert gab es sogenannte Collegia musica, private Zusammenkünfte von Laienmusikern, die Vokal- und später Instrumentalmusik zu Besten gaben. Im Laufe der Zeit wurden auch Zuhörer zugelassen und sogar Eintrittsgelder erhoben. Die Musizierfreudigkeit zog sich durch alle Schichten, auch Studentenensembles entwickelten sich – die Hausmusik boomte! Dass sie auf einem sehr hohen Niveau praktiziert wurde, lag zum einen an der sehr guten Notenliteratur, zum anderen beteiligten sich nicht selten auch Sänger und Instrumentalisten des Opernensembles an verschiedenen Hausabenden.

Telemann war seit 1721 Musikdirektor und Kantor in Hamburg und öffnete seinerseits das Musikleben in Hamburg maßgeblich für ein breiteres Publikum. Er beförderte das öffentliche Konzertwesen, indem er eine Vielzahl an geeigneten Werken komponierte. Für Konzerte, die sich an eine breite Öffentlichkeit richteten, gab es allerdings lange keinen Ort. Die ersten Konzerte fanden daher im Saal des Zuchthauses, im Baumhaus am Hafen oder im Drillhaus des Bürgermilitärs statt. Erst 1761 wurde am heutigen Valentinskamp der erste beheizbare Konzertsaal eingeweiht. 

„Hamburg… wo die Musik gleichsam ihr Vaterland zu haben scheinet, wo die höchsten und ansehnlichsten Personen die Tonkunst ihrer Aufmerksamkeit würdigen, wo verschiedene vornehme Familien Virtuosen und Virtuosinnen unter den ihrigen zählen, wo so mancher geschickte Lehrling der Music die Hoffnung machet, daß sie hier beständig wohnen werde.“

(Telemann, 1728)

Ohnehin hatten die Hamburger Musikinstrumente seit Anfang des 18. Jahrhunderts einen exzellenten Ruf: die Orgeln Arp Schnitgers (1648 – 1720) oder die Lauten von Joachim Tielcke (1641 – 1719) waren europaweit bekannt und geschätzt. Auch die Werkstatt Hans Christoph Fleischers war der Lautenmacherei verpflichtet. Mit der Veränderung der Notenliteratur und deren freierer Instrumentierung änderte sich aber der Instrumentenmarkt. Mehr und mehr Komponisten schrieben ihre Werke für das Cembalo. Dieses konnte zudem mit einem eigebauten Lautenzug ausgestattet werden, der den  Klang so modifizierte, dass ein Lautenist praktisch überflüssig wurde.

Zwar fanden sich in den meisten bürgerlichen Haushalten die günstigeren Clavichorde, doch die Stadt war reich, und wer etwas auf sich hielt, gab ein Cembalo in Auftrag – nicht zuletzt als dekoratives Möbelstück. Mit der Belieferung von Privathaushalten sowie der Oper war den Cembalobauern in dieser Zeit eine gute Auftragslage sicher.

Georg Philipp Telemann 

Wenn einer daran gearbeitet hat, Hamburg zu einer europäischen Musikmetropole zu machen, dann er. Als der Rat der Stadt den gebürtigen Magdeburger am 10. Juli 1721 zum Kantor des Johanneums und zum Directormusices der Stadt Hamburg wählt, ist der Vierzigjährige bereits ein gemachter Mann. Sein um 1700 in Leipzig begonnenes Jurastudium hatte er abgebrochen, um seine musikalischen Neigungen auszuleben: erst an der Leipziger Oper, ab 1704 dann als Directormusices der damaligen Universitätskirche. Ab 1712 wird er als Musikdirektor in Frankfurt a, M. weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

In Hamburg beginnt der Stern des berühmtesten deutschen Barockmusikers zu leuchten. 46 Jahre lang hat er das kirchliche und bürgerliche Musikwesen der Stadt bestimmt, man hörte seine Kompositionen in der Kirche, auf öffentlichen Konzerten und in der Oper am Gänsemarkt, deren Leitung er 1722 bis zu ihrer Schließung 1738 innehatte. 24 seiner 60 Opern hat Telemann für die Hamburger Bühne komponiert, er schuf Werke für alle Gattungen und gilt mit über 3600 Werken als einer der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte.


KURZ ERKLÄRT 

Der Stellenwert von Musik Anfang des 18. Jahrhunderts sowie die Unterrichts- und Aufführungspraxis.


Tischbein: Joachim Timmermann und Familie (1758). Der Kaufmann Jochim Timmermann (1702-1787), ein in der Hansestadt angesehener, wohlhabender Weinhändler, ist mit seiner dritten Frau und seinen sechs Kindern in Szene gesetzt. Foto: SHMH/Museum für Hamburgische Geschichte

Das typische Hauskonzert

Die Gesellschaft hat sich – wie in einem Hofgarten – zum Hauskonzert auf einer Loggia versammelt, durch deren Bogenöffnungen man nach draußen in den Park und auf das angrenzende mehrstöckige Wohnhaus blickt. Hofgärten waren für die höfisch geprägte Gesellschaft der Ort, an dem an schönen Sommertagen gesellschaftliche Empfänge stattfanden. Hauptunterhaltung war das Musizieren, begleitet von Spiel, Konversation und dem Servieren von Getränken und Konfekt. Kleidung, Ambiente und Beschäftigung der Porträtierten deutlicher Hinweis auf die Zugehörigkeit zur bürgerlichen Oberschicht. Im Zentrum der Figurengruppe steht ein kleines Mädchen, das durch ihre Haltung – mit dem rechten Arm stützt sie sich auf das Spinett und mit der linken Hand auf den Tisch – die Kaffee trinkenden Zuhörer mit den musizierenden Personen verbindet. Zu den Musizierenden gehören drei Kinder, die um das Spinett stehen und sich dem Cellisten zuwenden.

Die Instrumentenbauerfamilie Fleischer 

Die Instrumentenbauerfamilie Ruckers aus Anwerpen galt lange als das non plus ulta des Cembalobaus. Dass sich Ruckers-Cembali heute in vielen renommierten Musikinstrumentensammlungen finden, belegt den einstigen Ruhm der Familie und ihrer Erzeugnisse.

So experimentierte auch der Lautenmacher Hans Christoph Fleischer (1638 – 1693/94), dessen Werkstatt einen äußerst guten Ruf genoss, mit neuen Konstruktionen, die technisch erweiterte Möglichkeiten der Klangerzeugung boten. Dicht an seiner Seite: die Söhne Johann Christoph und Carl Conradt. Als er verstarb, heiratete seine Frau den Orgel- und Clavichordbauer Johann Middelburg. Er übernahm die Werkstatt und bildete die Söhne, die im Jugendlichenalter waren, weiter aus.

“Bönhasenjagd”

Anfang des 18. Jahrhunderts begehrten die Tischler-Innungen gegen die gut verdienenden Instrumentenmacher auf. Aus Sicht der Tischler waren die Freimeister keine echten, sondern selbsternannte Handwerksmeister – Pfuscher, die schlechte Arbeit leisteten und in Ämtern organisierten Handwerkern und deren Familien die Aufträge stahlen. Oder, wie die Tischler die Konkurrenz bösartig nannten: „Bönhasen“, ängstliche Hasen, die sich auf Böden versteckten. Sie zogen durch die Stadt, verwüsteten Werkstätten und entwendeten das Handwerkszeug, das die eigentlichen Besitzer zurückkaufen mussten. 1707 wurde auch die Werkstatt Fleischer-Middelburg Opfer eines solchen Angriffs. Derweil war Johann Christoph Fleischer von seiner Wanderschaft zurück und richtete ab 1705 richtete zusammen mit seinem jüngeren Bruder Carl Conradt, der ihn als Geselle unterstützte, eine eigene Werkstatt ein. 1708 wurden aber auch die Fleischer-Brüder überfallen und ihrer Arbeitsgeräte beraubt. Die Hamburger Tischlermeister wollten erreichen, dass Korpus und Untergestell des Instruments von ihnen gefertigt wurden und sich die Instrumentenbauer nur auf die Mechanik beschränkten. Doch Gehäuse und Instrument waren bei den Hamburger Cembali – im Gegensatz zu den italienischen – untrennbar miteinander verbunden. Die ganze äußere Gestalt prägte das Klanggeschehen maßgeblich mit. Eine Trennung in zwei Gewerke entsprach daher auch überhaupt nicht dem beruflichen Selbstverständnis der Instrumentenbauer. Keine Frage, dass die Brüder diese Produktionsbedingungen nicht annahmen.

Carl Conrad Fleischer

In den Folgejahren machte die Pest der Konjunktur einen Strich durch die Rechnung. Carl Conradt Fleischer nutzte die Pestjahre, um auf Wanderschaft zu gehen. Gemeinsam mit seiner Frau Florentina kehrte er vermutlich 1714 nach Hamburg zurück und erlangte das Bürgerrecht, um eine eigene Werkstatt zu gründen. 1716 richtete er in der Neustadt –strategisch günstig zwischen St. Petri und dem Opernhaus in der heutigen Gerhofstraße – seinen Betrieb ein. Der Erfolg wurde allerdings jäh beendet: 1721 verstarb er 41-jährig. Bereits 1722 heiratete seine Witwe den Instrumentenmacher Christian Zell. Die Instrumente Carl Conradt Fleischers sind eben deswegen so selten und kostbar, weil sie nur in den Jahren zwischen 1716 und 1721 entstehen konnten. Johann Christoph Fleischer erfand und baute auch darüber hinaus Instrumente und restaurierte gleichsam ältere Liebhaberstücke.

Das Fleischer-Cembalo 

Das Cembalo im Museum für Hamburgische Geschichte ist eines von drei erhaltenen Cembali Carl Conradt Fleischers. Das zweite Instrument aus dem Jahr 1716 befindet sich im Stibbert Museum in Florenz, ein 1720 gebaute Cembalo im Museu de la Música de Barcelona. 1978 tauchte das Instrument in New York auf. Das Museum für Hamburgische Geschichte kaufte es für damals 81,529 Dollar von Hugh Gough Inc. Musical Instruments. Die Inschrift im Resonanzboden belegte eindeutig den Instrumentenbauer und den Entstehungsort.

Die Inschrift mit der Signatur Carl Conradt Fleischers auf einem flatternden Schriftband, darunter Vergissmeinnicht. Foto: Elke Schneider
Korpus des Cembals mit geschwungener S-Form. Foto: SHMH/Museum für Hamburgische Geschichte.

Korpus 

Beeinflusst durch englische Vorbilder und ganz im Gegensatz zur italienschen eckigen Bauweise ist die Diskantzarge S-förmig geschwungen und gibt dem Resonanzboden damit eine Harfen- oder Flügelform – für die damalige Zeit ästhetisch hochattraktiv.

Tasten 

Die Untertasten sind aus weißem Elfenbein gefertigt, die Obertasten mit gemasertem Schildpatt belegt – an dieser Besonderheit sind Hamburger Tasteninstrumente erkennbar. Die Köpfe der Untertasten weisen gestanzte Ornamente aus weißem Papier auf rotem Grund auf. Die ungewöhnlich große Tastenmensur weist darauf hin, dass es sich um eine Sonderanfertigung für einen privaten Besteller handelt.

Tastatur des Fleischer-Cembalos. Foto: SHMH/Museum für Hamburgische Geschichte

Klang und Mechanik

Schaubild eines Springers. Beim Anschlag der Saite bewegt er sich aufwärts und erzeugt den Klang.

In Hamburg wurden besonders große, technisch aufwendige Cembali mit bis zu drei Manualen, teilweise auch mit Pedalen, und mit einer Vielzahl an Registern gebaut und verkauft.  Dennoch sind kaum Instrumente erhalten und in Museumssammlungen beheimatet. Im Falle des Fleischer-Cembalos blieben Resonanzboden, Tastatur und Mechanik glücklicherweise unangetastet, so dass es nach gründlicher Restaurierung heute wieder seinen originalen Klang entwickeln kann.

Das Cembalo funktioniert trotz der Tonerzeugung über eine Tastatur wie ein Zupfinstrument. Die Saiten werden mittels dornförmiger Plektren („Kiele“) angerissen. Die Kiele stecken in beweglichen „Zungen“, die wiederum in „Springern“ einmontiert sind. Beim Anschlag der Taste hüpft der Springer nach oben und der Kiel zupft die Saite an. Beim Loslassen der Taste fällt der Springer wieder nach unten. Dank der beweglichen Zunge schabt der Kiel an der Saite vorbei und ein am Springer befestigtes Filzfähnchen dämpft die Saite ab.


KURZ ERKLÄRT 

Was ist das Besondere am Klang des Fleischer-Cembalos? Welche Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks bietet es für den Interpreten? Und was passiert, wenn die Kiele Ballett tanzen?


Hörbeispiel: Der Lautenzug 

Wie eine Orgel hat ein Cembalo Register, d.h. verschiedene ein- und ausschaltbare Sätze von Saiten. Dadurch lassen sich Lautstärke und Klangfarbe verändern. Das Fleischer-Cembalo hat einen Umfang von C – c³ und besitzt zwei 8 ‘ – und ein 4 ‘ -Register. Auch ein Lautenzug war von Anfang an eingebaut. Diese zuschaltbare Dämpfung imitiert das Zupfen einer Laute. Alle Register und der Lautenzug werden mit Holzknebeln rechts und links vom Stimmstock bedient.

Michael Fuerst erklärt, warum der Lautenzug zu Unrecht als kitschig verschrien ist und gibt ein Beispiel für den besonderen Klang.

Bemalung 

Deutsche Cembali stammen überwiegend aus dem 18. Jahrhundert, nur wenige Instrumente aus dem 17. oder gar 16. Jahrhundert sind überliefert. Sie waren äußerlich zumeist eher schlicht gehalten. Das Gehäuse war massiv und hatte nur wenige oder keine Verzierungen. Dies schien die potentiellen Käufer nicht zu stören, vielmehr legten sie Wert auf eine solide Bauart und einen großen Klangumfang. In Hamburg waren hingegen sehr viele reich verzierte Cembali im Umlauf, vermutlich um den dekorativen Wert des Instruments zu steigern. Das relativ kleine Fleischer-Cembalo zeigt im Gehäuse an der Bemalung und im Unterbau weitgehende Veränderungen des 19. Jahrhunderts.

Innenbereiche

Außenbereiche

Restaurierungsprozess

Restaurierung im 19. Jahrhundert 

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr die Barockmusik eine Wiederbelebung. Das Interesse an der alten Musik veranlasste die Besitzer von älteren Instrumenten, diese neu herrichten zu lassen, was teilweise zu einer „Zerrestaurierung“ führte. Das Cembalo Carl Conradt Fleischers wurde Ende des 19. Jahrhunderts hingegen behutsam restauriert. Die Arbeiten wurden sehr wahrscheinlich in Paris durchgeführt, bevor das Instrument in die USA gelangte. Neben einigen Reparaturen erhielt das Instrument ein Gestell und wurde rundherum kostbar bemalt. Auch die Bemalung der Deckeloberseite erfolgte zu diesem Zeitpunkt.

Restaurierungen nach dem Erwerb 

Das Instrument wurde unbesaitet angekauft, restauriert und wieder spielfähig gemacht. Der Cembalokasten war durch schlechte Lagerung stark verzogen, die Malereien abgeplatzt. Die Untersuchung der Malerei ergab, dass ein Großteil im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts übermalt wurde. Die ursprüngliche Malerei war gänzlich anderer, schlichterer Natur, aber so zerstört, dass man sich entschied, diese nicht freizulegen. Stattdessen wurde die 100 Jahre alte zweite Schicht restauriert. Lediglich auf dem Einsatzbrett konnte die ursprüngliche Malerei erhalten werden.

1980 und 1982 erfolgte eine Restaurierung an Deckel und Korpus, 1995 – 1997 eine Konservierung-Restaurierung der Fassung mit Ausnahme des Resonanzbodens, der wegen der Besaitung nicht zugänglich war.

Tratteggio- und Vollretusche (2018) 

Um die Seiten des Resonanzkörpers und besonders die Klaviaturklappe vor weiteren Ausbrüchen zu schützen, fand eine Festigung der Malschicht statt. Akut gefährdete Malschichtschollen wurden wieder gefestigt und die anliegende Malschicht vor dem erstmaligen Abbruch geschützt. Mittels Retuschen wurden die Bildmotive wieder hergestellt, wobei sich die Retuschen von den Malereien unterscheiden sollte. Sie wurden bei ihrem Glanz belassen, um deutlich zu machen, dass es sich um Maßnahmen handelt.

Forschungsarbeit (2018)

Ein Vergleich der Tasten und Springer mit den beiden anderen erhaltenen Cembali von Carl Conradt Fleischer in Barcelona und Florenz ließ erkennen, dass die alten Springer des Hamburger Instruments original sind. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse war es möglich, das Cembalo mit einer neuen Besaitung originalbetreu zu bespannen. Die Saitenmaterial, das sogenannte „p-wire“ wurde aus Kanada bezogen.

Restaurierung 2018/2019 

Durch Spendenkonzerte wurde eine notwendige Restaurierung des Klangkörpers ermöglicht. Nach Abnahme der Besaitung war erstmals der stark verstaubte Resonanzboden zugänglich. Ende 2018 wurde die wasserempfindliche Malerei in der Gemälderestaurierung des Museums gereinigt. Der Staub war über die Jahrzehnte tief in die unbearbeitete Holzoberfläche eingedrungen und konnte nur mit Hilfe einer mehrfachen feuchten Reinigung mit einem anionischen Tensid abgenommen werden. Im Bereich der Blumen und Tiermotive sowie im roten Randbereich war aufgrund der starken Wasserempfindlichkeit nur eine trockene Reinigung mit Latex- und Mikropur-Schwämmen möglich. Mit feinsten Wattetampons mussten jede gemalte Ranke und jeder Rosendorn vorsichtig umfahren werden. Trotz dieser eingeschränkten Möglichkeiten erhielt die Malerei nach der Reinigung eine lebhafte leuchtende Farbigkeit zurück.

Oben: Verstaubter Resonanzboden vor der Reinigung. Unten: Die detailreichen Motive auf dem Resonanzboden sind nach der Reinigung klar und deutlich erkennbar.
Oben: Verstaubter und verschmutzter Untergrund nach Abnahme der Saiten. Unten: Der Bereich um die Besaitung herum konnte gründlich gereinigt und die Blumenmotive freigelegt werden.

Abgeblätterte Malerei vor der Retusche
Motiv nach der Tratteggio-Retusche

Tratteggio-Technik

Die Tratteggio-Technik ist eine Ergänzungsmöglichkeit bei der Behandlung von Fehlstellen in der Wandmalerei. Sie besteht darin, Zeichnung und Modellierung in ein System von vertikalen Strichen, eine Art “Schraffur “, umzusetzen, die auf dem Prinzip einer Aufspaltung der Tonwerte basiert. In seiner Ausführung besteht das Tratteggio aus einem System kleiner vertikaler Striche von einer Durchschnittslänge von etwa 1 cm. Die erste, unterste Lage, die den Grundfarbton der Retusche bestimmen soll, besteht aus Strichen in regelmäßigen Intervallen und gleicher Stärke. In einer zweiten Phase werden diese Intervalle mit Strichen einer anderen Farbe ausgefüllt, zu denen noch weitere hinzukommen, bis durch Neben- und Übereinanderlagerung möglichst reiner Farben der gewünschte Tonwert und die aufzubauende Modellierung entstehen. Jeder einzelne Strich soll für sich zart aufgesetzt, die Intensität der Farbe nicht durch die Farbkraft des einzelnen Striches, sondern durch die Überlagerung transparenter Lasuren erreicht werden, denn nur so bekommt die Retusche die für ihre Integration unentbehrliche innere Bewegung

Durch den mechanischen Charakter dieses Systems gibt es keine individuelle Handschrift des Restaurators, daher ist das Tratteggio eine Art Neutralretusche.