Zum Inhalt springen
Direkt zum Inhalt wechseln

Die erste Hamburgische Bürgerschaft von 1919

Dezember 2019

Der Aufbruch in die Demokratie spielte sich auf diversen Ebenen ab, so auch in der Ersten Hamburger Bürgerschaft. Erstmals durften sich Frauen in die Bürgerschaft wählen lassen. Auch anhand der Berufe und fachlichen Herkunft der Mitglieder lassen sich große Unterschiede zur bisherigen Politik erkennen. 


Christliche Volkspartei (CVP)

Johann Bernard Dinkgrefe

CVP/Zentrum, katholischer Pfarrer

*12. Oktober 1858 in Addrup † 8. September 1931 in Hamburg, CVP/Zentrum, Mitglied der Bürgerschaft von 1919-1931, kath. Pfarrer, Liste 15 Platz 2

1880 Abitur in Vechta, 1881-1886 Theologiestudium in Innsbruck, 1886 Priesterweihe in Osnabrück, 1891 Antritt der Pfarrstelle in St. Bonifatius in HH-Eimsbüttel, ab 1901 Pastor an der Hauptkirche St. Ansgar und Ernennung zum Pastor Primarius mit Verantwortung für alle Katholiken in Hamburg, 1915 Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer, 1923 Ernennung zum Päpstlichen Hausprälaten, 1919-1931 als Pastor Primarius zugleich Fraktionsführer der Zentrumspartei in der Bürgerschaft, Mitarbeit in verschiedenen Bürgerschaftsausschüssen mit sozialpolitischer Ausrichtung.

Max Schauseil

CVP, Direktor

* 1860 in Düsseldorf † 1925 in Hamburg, CVP, Mitglied der Bürgerschaft 1919-1921, Direktor der See-Berufsgenossenschaft, Liste 15 Platz 1

1895 Eintritt in die See-Berufsgenossenschaft, 1899 Verwaltungsdirektor der Berufsgenossenschaft, Verlust eines Sohnes im Ersten Weltkrieg, nach 1918 Mitglied im Reichsausschuss für den Wiederaufbau Handelsflotte, 1922 Eintritt in den Ruhestand, Engagement für Unfallprävention in der Seefahrt.


DNVP (Deutschnationale Volkspartei) 

Franz Alfred Georg Diller

DNVP, kaufmännischer Angestellter und Gewerkschaftsfunktionär

*1889 in Berlin † 1965, DNVP, Mitglied der Bürgerschaft 1919-1921, kaufmännischer Angestellter und Gewerkschaftsfunktionär, Liste 11 Platz 4

kaufmännische Lehre in einer Berliner Großhandelsfirma, ab 1909 Mitarbeiter im Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband in Hamburg, bis 1914 Unterstützer der Deutschsozialen Partei, 1918/19 Eintritt in die DNVP, während der 1920er Jahre Funktionär der Bismarckjugend, 1930 Austritt aus der DNVP und Neuorientierung zur NSDAP, weiterer Lebensweg unbekannt, sein Nachlass liegt in der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.

Alfred Marcus Jacobsen

Deutschsoziale Reformpartei/Deutschsoziale Partei/DNVP, Rechtsanwalt und Verbandsfunktionär

* 1861 in St. Margarethen † 1929 in Hamburg, Deutschsoziale Reformpartei/Deutschsoziale Partei/DNVP, Mitglied der Bürgerschaft von 1901-1904 und 1919-1929, Rechtsanwalt, Verbandsfunktionär, Liste 11 Platz 1

Nachkomme von Jacob Luther, dem Bruder des Reformators Martin Luther, Schüler des Christianeums Altona, Jurastudium in Kiel, Erlangen und Berlin, Zweite juristische Staatsprüfung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht, seit 1889 als Rechtsanwalt in Hamburg niedergelassen, 1900 Vorstandsmitglied der Deutschsozialen Partei, 1901-1904 als Kandidat der Deutschsozialen Partei in die Bürgerschaft gewählt, eigene Fraktion mit Wilhelm Schack und Friedrich Raab, Mitglied des Alldeutschen Verbandes, 1919 Gründungsmitglied der Hamburger Sektion des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, 1919 Artikel in den “Alldeutschen Blättern” zu den mutmaßlichen Gründen für die deutsche Niederlage im 1. Weltkrieg, März 1919 Engagement für die Erhaltung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, Senatsmitglied.

Mehr lesen Weniger lesen

Zahlen & Fakten

Frauen in der Bürgerschaft

In der Ersten Bürgerschaft der Stadt Hamburg von 1919 waren erstmals Frauen vertreten. Auf 143 Männer kamen 17 Frauen. Vier Frauen stammten aus der DDP (von 33 Mitgliedern), eine
Frau war in der DNVP (von 4), eine Frau in der DVP (von 13 Mitgliedern), neun Frauen in der SPD (von 82 Mitgliedern) und zwei Frauen in der USPD (von 13 Mitgliedern). In der CVP und
im HWB waren keine Frauen vertreten.

Zur Wahl trat u.a. auch die Liste „Erwerbstätige Frauen und
Mädchen” an, die aber nicht genügend Stimmen erhielt.

Bildungsabschlüsse

Die Verteilung der Bildungsabschlüsse verdeutlicht die Öffnung der Bürgerschaft für größere Teile der Bevölkerung. Während die Bürgerschaft vor dem Krieg von Akademikern dominiert war, stellten diese nach 1919 nur noch gut ein Viertel der Abgeordneten.

Nur 44 haben studiert oder eine Lehrerausbildung, davon 15 mit bekannter einfacher Promotion, zwei mit Promotion in zwei Fächern und ein Professor (Sieveking, DVP). Allein in der DVP waren Akademiker in der Mehrheit. 116 Personen hingegen haben nicht studiert.

Verteilung der Berufe

Die Verteilung der Berufe ist bemerkenswert, weil sich darin eine sehr breit gefächerte fachliche und berufliche Herkunft der Bürgerschaftsmitglieder erkennen lässt, 36 Personen stammen aus dem öffentlicher Dienst (LehrerInnen, Polizei, Zoll, Justiz etc.), 61 aus dem
Dienstleistungssektor (JornalistInnen, Bürokräfte, hauptberufliche Verbands- und Gewerkschaftsfunktionäre etc.), 20 aus dem Handel und Transport (Kaufleute, kaufm.
Angestellte, Transportunternehmen), 29 Industrie und produzierendes Gewerbe (Fabrikarbeiterlnnen, Tischler, Schlosser, Drechsler, Schmuckschmied etc.), ein Land- und
Forstwirtschaft, zwei Kleriker (katholisch, lutherisch), drei au: (Gesundheitsberufe (Ärzte, Hebammen, Pflegepersonal etc.).

Acht Personen hatten keine Erwerbstätigkeit, dies waren ausschließlich Frauen.

Fraktionszugehörigkeit

Es fand eine Wahl im sogenannten Stadtgebiet, eine im sogenannten Landgebiet und eine Wahl in Cuxhaven statt. Die Ergebnisse wurden nach der Wahl zusammenaddiert. Verschiedene Listen aus beiden Gebieten durften sich nach der Wahl für zusammengeschlossen erklären und eine Fraktion gründen.

SPD und DDP gewannen in allen drei Gebieten, die DVP im Stadt- und im Landgebiet Sitze. Der HWB war ein Zusammenschluss mehrerer Listen von verschiedenen Berufs- und Wirtschaftsverbänden.

Dienstzeit in der Bürgerschaft

In der Ersten Hamburgischen Bürgerschaft sind viele prominente Namen zu finden. Jedoch war die Folgezeit durch politische Umwälzungen geprägt und der Nationalsozialismus setzte der jungen Demokratie ein Ende. Nicht nur aus diesem Grund fielen die Dienstzeiten vieler Bürgerschaftsmitglieder recht kurz aus, viele kehrten auch nach wenigen Jahren in ihren Beruf zurück.

Drei Mitglieder waren insgesamt 30 Jahre oder länger in der Bürgerschaft. Sieben waren für 26-30 Jahre Mitglied, neun für 21-25 Jahre, 18 für 16-20 Jahre, 37 für 11-15 Jahre und 17 für 6-10 Jahre. Ein Großteil von 68 Personen war nur für 1-5 Jahre, d.h. höchstens 2 Legislaturperioden, Mitglied der Bürgerschaft. Vier Abgeordnete verstarben vor Ende der 1. Legislaturperiode, elf weitere traten vorzeitig zurück.

Wandel der Bürgerschaft

Die Erste Hamburgische Bürgerschaft zeichnete sich dadurch aus, dass die Mehrzahl der Mitglieder 1919 neu in die Bürgerschaft gewählt wurde und Abgeordnete ersetzte, die noch nach den alten „Spielregeln” gewählt worden waren und die das Kaiserreich überwiegend gestützt hatten. Dies half entscheidend, die Demokratie in der frühen Phase der Republik zu stabilisieren und zeigt deutlich den Umbruch, der durch die Revolution angestoßen wurde.


Deutsche Demokratische Partei (DDP) 

Friedrich Franz Albert Ahlgrimm

DDP, Lehrer und Germanist

Friedrich Franz Albert Ahlgrimm *30. November 1867 in Priepert; † 1927 in Hamburg, DDP, Mitglied der Bürgerschaft 1919-1921, Lehrer und Historiker, Abitur 1886, Studium in Freiburg/Breisgau,Berlin und Kiel, Promotion 1889 in Kiel, 1889/90 Militärdienst, seit 1895 Lehrer in Hamburg, seit 1912 Direktor der Realschule am Weidenstieg.

Max Hermann Anton Basedow

DDP, Rechtsanwalt

Max Hermann Anton Basedow, *4. Mai 1874 in Hamburg, † 1940, DDP, Mitglied der Bürgerschaft mit Unterbrechungen 1907-1921, Rechtsanwalt, Schüler des Johanneums, Jurastudium in Berlin und Tübingen, Militärdienst, 1898 Promotion in Erlangen über Schuld im Strafrecht, ab 1901 Rechtsanwalt in Hamburg, 1906 Kommentar zum neuen Hamburgischen Wahlgesetz, 1907 Eintritt in die Bürgerschaft, Teilnahme am 1. Weltkrieg als Hauptmann, 1919 Rückkehr nach Hamburg und Wiedereintritt in die Bürgerschaft, Mitglied der Baudeputation.

Mehr lesen Weniger lesen

DVP (Deutsche Volkspartei) 

Hermann Julius Detlef Bagge

DVP, Rechtsanwalt

* 13. März 1867 in Glückstadt; † 1936 in Hamburg, DVP, Mitglied der Bürgerschaft von 1919-1921, Rechtsanwalt, Liste 19 Platz 7

Schüler des Johanneums, Jurastudium in Berlin und Tübingen, 1886 Promotion, 1886/87 Militärdienst, 1890-1893 Rechtsreferendar in Hamburg, 1893 Niederlassung als Rechtsanwalt, 1907 und 1909 Veröffentlichungen zum Hamburgischen Wahlrecht, zwischen 1919 und 1921 Vizepräsident der Bürgerschaft.

Paul Henri Adolph Wilhelm Franz de Chapeaurouge

Nationalliberale/DVP/CDU, Jurist

* 11. Dezember 1876 in Hamburg; † 3. Oktober 1952, Nationalliberale/DVP/CDU, Mitglied der Bürgerschaft von 1917-1933, Jurist, Liste 19 Platz 11

Mitglied der schweizerisch-hanseatischen Familie Chapeaurouge, Schwiegersohn des Genealogen Oscar Louis Tesdorpf, Studium der Rechtswissenschaft, ab 1904 Notar in Hamburg, 1914-1917 Teilnahme am 1. Weltkrieg als Soldat, im Kaiserreich Mitglied der Nationalliberalen Partei, 1918 Umgründung der Nationalliberalen in die DVP, 1925-1933 Senator für Hochschulen und Wissenschaft, 1933 kurzzeitig Innensenator, 1931/32 Unterhändler der DVP für Koalitionsbildungen in der Bürgerschaft mit NSDAP, DNVP und DStP, Niederlegung des Amtes aus Protest gegen die Einsetzung des SA-Standartenführers Alfred Richter als Polizeiherr für Hamburg, nach 1945 Überführung alter Strukturen von DVP und DNVP in Hamburg in die CDU, 1948 Mitglied des parlamentarischen Rats, 1949 Wiederwahl in die Bürgerschaft, 1952 Verleihung der Ehrensenatorenwürde.

Mehr lesen Weniger lesen

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 

Karl Gustav Appelbaum

SPD, zunächst Bürogehilfe

* 27. Dezember 1879 in Hamburg; † 2. Februar 1961 ebenda, SPD, Mitglied der Bürgerschaft 1919-1933, zunächst Bürogehilfe, Liste 8 Platz 27

1908-1911 Bürovorsteher im Deutschen Kolonialinstitut, ab 1921 Regierungsrat in der Sektion wissenschaftliche Anstalten, 1933 von den Nationalsozialisten aus seinem ArbeitSPDlatz gedrängt, von August bis Oktober 1944 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert, nach dem Krieg Obersenatsrat bei der Landesschulbehörde und Hochschulbehörde Hamburg, 1947 Ruhestand.

Richard Carl Robert Ballerstädt

SPD, Lehrer und Schulreformer

* 3. März 1873 in Hamburg; † 15. Januar 1953 in Hamburg, SPD, Mitglied der Bürgerschaft 1919-1933, Lehrer und Schulreformer, Liste 8 Platz 34

seit dem ersten Lebensjahr Vollwaise, Beitritt zur SPD mit 14 Jahren, 1893-1922 Volksschullehrer, 1922-1933 Kreisschulrat, 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt, nach Kriegsende Rückkehr in die Bürgerschaft und den Schuldienst.

Mehr lesen Weniger lesen