Zum Inhalt springen
Direkt zum Inhalt wechseln

August 2016
Text: Karl-Hein Schult

 

Landsitz des Senator Jenisch auf Flottbeck
Landsitz des Senator Jenisch auf Flottbeck, Unbekannter Künstler, Lithographie, um 1850, Foto SHMH

Eine Familie schreibt Geschichte

Sie waren Senatoren, Kaufleute, Diplomaten und Gutsherren und ihre Geschichte lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen: Die Jenisch. Eine große Familie, der Hamburg viel zu verdanken hat.

Der Name

Die Herkunft der Hamburger Familie Jenisch lässt sich bis nach Augsburg Ende des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen. Ein niederländischer Kürschner namens Bartholomäus (1407–1480) pries damals in der Stadt seine Pelzwaren in einem Kauderwelsch von Flämisch und Bairisch – in der sogenannten Jänischen Mundart – an. Aus Bartholomäus dem Kürschner wurde so Bartholomäus Jenisch. Ein Ururenkel von Bartholomäus, Zimbert Jenisch (1587–1645), heiratete eine Tochter des Hamburger Kaufmanns Johann Pütz und zog zu ihr nach Hamburg. 1618 erwarb er hier das Bürgerrecht und führte zusammen mit seinem Schwager Paulus (1604–1655) das Handelsgeschäft Paulus Pütz & Zimbrecht Jenisch. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Zimbert Jenisch 1635 Esther Amsinck (1608–1679), Tochter des Hamburger Ratsherrn Rudolf Amsinck (1577–1636), was seinen Nachkommen Zugang zur Hamburger Oberschicht verschaffte. Viele von ihnen sind seither als Senatoren, Kaufleute und Diplomaten eng mit der Stadtgeschichte verbunden.

Martin Johan Jenisch der Ältere

* 22. Juni 1760 † 29. Januar 1827

Der Sohn des begüterten Hamburger Kaufmanns und Senators Emanuel Jenisch (1725–1783) und setzte die kaufmännische Tradition seiner Vorfahren fort. Bereits in jungen Jahren erhielt er durch seine frühen handelstätigen Erfolge die ersten bürgerlichen Ehrenämter in Hamburg. Er war u. a. Admiralitätsbürger, Kriegskommissar, Provisor des Spinnhauses, Mitglied des Niedergerichts, später dann auch Commerzdeputierter. Er wurde zu einem der einflussreichsten Handelsherren der Hansestadt. 1798 erfolgte seine Wahl in den Hamburgischen Senat, dem er bis zu seinem Tod 1827 angehörte.

Bei seinen Geschäftsverbindungen bildete Frankreich einen wesentlichen Schwerpunkt. Nach der Einbeziehung Hamburgs in das Napoleonische Reich 1811 wurde Jenisch wegen seiner guten französischen Beziehungen nach Paris entsandt. Er zählte zu den 500 Höchstbesteuerten des Departements der Elbmündung und gehörte dem Conseil Géneral de Commerce und dem Corps Legislatif in Paris an. Als deren Mitglied tat er sein Bestes, um gegenüber dem französischen Handelsminister die wirtschaftlichen Belange seiner Heimatstadt zu vertreten, wofür er später geehrte wurde: Als einer von 56 verdienten Hamburgern schmückt sein Reliefporträt eine Säule in der Diele des Hamburger Rathauses.

Martin Johan Jenisch der Ältere Gemälde von F.C. Gröger aus dem Jahr 1827. Foto SHMH/Altonaer Museum

Wohlgeordnete Harmonie – Sommer im Jenisch Park

Martin Johan Jenisch der Jüngere

* 12. April 1793 † 7. März 1857

Schon in jungen Jahren stieg er in das Jenische Handelshaus ein, da sein Vater als Gesandter nach Paris ging. Am 5. Januar 1827 wurde er als Nachfolger seines Vaters zum Senator gewählt. Am 15. April 1820 heiratete er Fanny Henriette (1801–1881), die Tochter des Lübecker Kaufmanns Ludwig Hermann Roeck (1731–1797). Durch das Erbe von Martin Johan Jenisch dem Älteren waren das Paar in der Lage, einen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren und Ländereien zu erwerben. 1827 kaufte Jenisch zunächst das Gut Blumendorf bei Oldesloe, dann ein Jahr später ein Anwesen in Klein Flottbek, das bisher Baron Caspar von Voght (1752–1839) gehört hatte. Dort ließ er ein neues Herrenhaus errichten – das heutige Jenisch Haus.

Martin Johan Jenisch der Jüngere. Foto SHMH/Altonaer Museum
Fanny Henriette Jenisch, geb. Roeck (*1801; † 5. Januar 1881) Foto SHMH/Altonaer Museum

Das Erbe 

Im selben Jahr kümmerte sich Senator Jenisch auch um die Planung eines neuen Herrenhauses. Bevor der Architekt Franz Gustav Forsmann mit dem Bau beginnen konnte, prüfte Jenisch die Pläne und Kostenvoranschläge sehr genau und ließ sich sogar vom Berliner Stararchitekten Karl Friedrich Schinkel beraten. Im Oktober 1829 wurde der Flottbeker Grundbesitz vom dänischen König Frederik VI. zum Kanzleigut erhoben, die Bauausführung des Jenisch Hauses konnte beginnen und Fanny und Martin Jenisch begaben sich auf eine einjährige Italienreise und erwarben etliche Kunstgegenstände und zahlreiche Gemälde, die für die Inneneinrichtung ihres neuen Landhauses in Flottbek verwendet wurden.

Erbe dieses Jenischen Vermögens wurde 1881 Dr. Martin Johan Rücker, ein Großneffe des Senators. Ihm wurde durch den Hamburger Senat die Genehmigung erteilt, unter Beibehaltung des Namens Rücker als dritten Vornamen, Namen und Wappen der Familie Jenisch zu führen. Nach einer beispiellosen Diplomatenkarriere verlieh ihm Wilhelm II. am 7. Februar 1906 die preußische Freiherrenwürde. Anno 1928 kam es dann zwischen der Witwe Thyra Freifrau von Jenisch und der Stadtgemeinde Altona zu einem Pachtvertrag, in welchem sie den Jenischpark einschließlich dem Herrenhaus für eine jährliche Pacht von 20.000 Goldmark vermietete. 1939 gelangten das Jenisch Haus und die Parkanlage für einen Kaufpreis von 1,3 Millionen Reichsmark endgültig in den Hamburger Staatsbesitz, bevor die Senatorenvilla 1955 wieder als Museum für großbürgerliche Wohnkultur eröffnet wurde und der Senatskanzlei für besondere Veranstaltungen diente. Unter anderem fanden dort die Verleihung des Goethe-Preises an Bundespräsident Theodor Heuss und ein Frühstücksempfang für den französischen Präsidenten General de Gaulle statt.

Heute befindet sich im Erd- und Obergeschoss des Jenisch Hauses eine Folge von Sälen und Zimmern, die mit Möbeln und Kunsthandwerk aus dem Klassizismus und dem Biedermeier eingerichtet sind. In den Räumen des zweiten Obergeschosses werden wechselnde Ausstellungen zu Malerei und Graphik, zu Architektur und Gartenkunst sowie zum Kunsthandwerk vor allem aus dem 19. Jahrhundert gezeigt. Nicht zuletzt wegen seiner klassizistischen Architektur ist das Jenisch Haus ein idealer Ort zur Aufführung von Kammermusik. Seit dem Jahr 2006 findet im Weißen Saal des Landhauses eine exquisite Konzertreihe des Hamburg Ensemble Obligat statt, mit der an die Tradition der Jenisch’schen Salonkultur angeknüpft wird.

Teil einer Sitzgruppe, die ursprünglich für das Haus des Konferenzrats G.F. Baur in der Palmaille 49 hergestelllt wurde, mit Schnitzeren im Empiredekor
Klassizistisch bis ins Detail: Blick ins zweite Obergeschoss des Jenisch Hauses
Galerie Jenisch im Jenisch Haus, Foto SHMH/Sinje Hasheider