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Hamburger Familien Die Amsincks

April 2016
Text: Annkathrin Behn

Das Amsinck-Palais am Neuen Jungfernstieg, heutiges Quartier des exklusiven Hamburger Übersee-Clubs. Lithografie von Peter Suhr, 1830

Die (fast) vergessene Familie 

Wer den Namen Amsinck hört, denkt meist nur an die unattraktive Geschäftsstraße südlich des Hauptbahnhofs. Dass diese Familie den Erfolg Hamburgs wesentlich mitgeprägt hat, wissen nur die Wenigsten. Wir erzählen die ganze Geschichte. 

Der Name Amsinck dürfte vielen Hamburgern besonders durch die knapp zwei Kilometer lange Amsinckstraße ein Begriff sein. Hinter diesem Namen verbirgt sich jedoch weit mehr, als die tosende Durchfahrtsstraße erahnen lässt. Denn die Familie Amsinck – so könnte man sagen – gehört zu Hamburgs „Ur-Adel“. Es handelt sich dabei um eine weitverzweigte Familiendynastie, deren Mitglieder das wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Leben der Stadt seit mehreren Jahrhunderten mitgestalten. Der Straßenname geht auf Wilhelm Amsinck (1793-1874) zurück, einem Kaufmann und Senatssyndicus, der als Präses der außerordentlichen Rats- und Bürgerdeputation für den Wiederaufbau von Hamburg nach dem Großen Brand verantwortlich war. 

Aufgrund seiner Verdienste um die Erschließung des Hammerbrooks erhielt die Straße bereits zu seinen Lebzeiten, genauer 1842, seinen Namen. Auch in Hamburg-Lokstedt ist der Name Amsinck im Stadtbild präsent. Der knapp 5,7 Hektar große Amsinckpark verdankt seine Benennung einem anderen Wilhelm Amsinck (1821-1909). Dieser war ein Neffe des ersteren, ebenfalls Kaufmann sowie Handelsrichter und Mitbegründer der Vereinsbank in Hamburg. Um 1870 kaufte er das Gelände und ließ sich von dem berühmten Hamburger Architekten Martin Haller, dem späteren Erbauer des Rathauses, eine repräsentative Villa für die Sommermonate errichten. Das Anwesen existiert bis heute und wird aktuell als städtische Kindertagesstätte genutzt.

Die ehemalige Villa von Wilhelm Amsinck.
Rudolf Amsinck (1577-1636), Sohn des niederländischen Einwanderers Willem Amsinck und späterer Ratsherr in Hamburg. Ölgemälde von David Kindt, 1604. HAMBURG MUSEUM

Die ursprünglich niederländische Familie Amsinck lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Um 1580 floh der Bürgermeistersohn Willem Amsinck (um 1542-1618) aufgrund der Verfolgung der protestantischen Bevölkerung aus seiner Geburtsstadt Deventer und ließ sich im liberalen Hamburg nieder. Er wurde Kirchgeschworener an St. Petri und ein angesehener Tuchhändler. Zudem beteiligte er sich an der Gründung der „Niederländischen Armenkasse“. Seine Söhne Rudolf (1577-1636) und Arnold (1579-1656) wurden bereits in der Hansestadt geboren und erwarben 1624 zusammen einen Teil der Insel Nordstrand in Nordfriesland. Nach der Eindeichung entstand der sogenannte Amsinck-Koog, von dem heute noch die Hamburger Hallig übrig ist. Arnold Amsinck war zudem der Ururgroßvater eines weiteren wichtigen Wilhelm Amsinck (1752-1831). Dieser war von 1802 bis 1811 und erneut von 1813 bis 1831 Hamburger Bürgermeister. Die Pause in seiner Amtszeit erklärt sich durch die französische Besatzung Hamburgs, während derer Wilhelm sich aus Protest weigerte, die Stadt zu regieren. Bereits im Jahre 1785 hatte er Elisabeth Schuback (1764-1794) geheiratet und dadurch den wirtschaftlichen Wohlstand der Familie Amsinck für viele nachfolgende Generationen gesichert. Denn Elisabeth war die Tochter von Johannes Schuback (1732-1817), der 1757 das Hamburger Handelshaus „Johannes Schuback & Söhne“ gegründet hatte.


Amsinckstraße 

Die Amsinckstraße ist eine knapp zwei Kilometer lange Straße in Hammerbrook. Ihr Name geht auf Wilhelm Amsinck (1793–1874) zurück, einem Kaufmann und Senatssyndicus, der wesentlichen Anteil an der Erschließung Hammerbrooks hatte. Die Straße erhielt ihren Namen bereits zu Lebzeiten Wilhelm Amsincks, nämlich 1842.

Amsinck-Koog 

Der Amsinck-Koog war einst Teil der Insel Nordstrand in Nordfriesland. 1624 erwarben die Brüder Rudolf Amsinck (1577–1636) und Arnold Amsinck (1579–1656) aus Hamburg ein Stück Land auf der Insel und errichteten darauf den Kroog. Heute ist von diesem nur noch die Hamburger Hallig übrig.


Zuneigung und Pflichtgefühl prägten das Familienleben 

Das bis heute existierende Unternehmen ist auf den Überseehandel spezialisiert. 1837 wurde das Handelshaus von Elisabeths und Wilhelms Sohn Johannes Amsinck (1792-1879) übernommen, nach- dem dieser 1817 zunächst Teilhaber im Betrieb seines Großvaters geworden war. Elisabeths jüngere Brüder Johannes (1766-1822), Nicolaus Conrad (1769-1835) und Georg Schuback (1782-1817) waren ebenfalls alle Teilhaber im väterlichen Handelshaus, stellten jedoch keine Erben und so ging das Unternehmen an die Familie Amsinck. Bürgermeister Wilhelm wiederum war das zweite von insgesamt neun Kindern. Zu seinen Brüdern gehörten Johann Arnold (1750-1782), Richter am Niedergericht und Professor der praktischen Philosophie am akademischen Gymnasium, Paul (1758-1808), Kaufmann und Kämmereibürger in Hamburg, und Peter Amsinck (1764-1828), Pastor an St. Johannis. Johannes, der neue Herr im Hause Schuback, war eines von insgesamt sechs Kindern seiner Eltern Elisabeth und Wilhelm Amsinck. Einen Einblick in das von Pflichtbewusstsein und Zusammengehörigkeitsgefühl geprägte Familienleben dieser Generation der Familie Amsinck bietet ein umfangreicher Briefbestand aus den Jahren 1811 bis 1822, der im Hamburger Staatsarchiv aufbewahrt wird. Dabei handelt es sich um Post, die der jüngste und damals noch unverheiratete Sohn Wilhelm (1793-1874) von seiner Familie und Freuden unter Anderem an seinen Studienort Göttingen geschickt bekam. So schrieb Bürgermeister Amsinck am 29. Juli 1814 aus Hamburg an seinen Sohn: 

„Das edelste Gefühl, dem alle anderen weichen müssen, ist das, seinen Beruf und seine Pflicht, ganz [zu] erfüllen. Von allem übrigen Guten in der Welt ist aber nur so viel zu geniessen, als damit verträglich wird.“

Und in einem Brief vom 3. Juni 1814, den der junge Wilhelm von seiner ältesten Schwester Marianne (1787-1837) erhielt, ist zu lesen: „Vater ist wieder sehr mit Geschäften überhäuft und hat wenig Zeit seinen Kindern zu widmen; ich freue mich oft der Zukunft, wie sein gelehrter Sohn ihm in so manchen Dingen wird hülfreiche [sic] Hand leisten können; ich denke überhaupt ein manches Mal, daß Du gewiß noch einmal ein rechter, echter Amsinck werden wirst, und Deinem Familiennamen recht sehr zur Ehre gereichen wirst.“ Auch die engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander kommen in vielen Briefen zum Ausdruck. Am 26. Juli 1814 beispielsweise schrieb Johannes aus Pyrmont an seinen Bruder Wilhelm: „Wie sehr freue ich mich auf die Zeit, wo wir wieder zusammenleben werden; so habe ich dann doch eine mitempfindende Seele, der ich meine Gefühle mitteilen kann, einen, der es gewiß redlich mit mir meint.“ Die sich in diesen Auszügen widerspiegelnden Tugenden bestimmten auch das Zusammenleben der nachfolgenden Generation der Familie Amsinck. 

Johannes heiratete im Jahre 1818 Emilie Gossler (1799-1875), Tochter des Hamburger Kaufmanns, Bankiers und Senators Johann Heinrich Gossler (1775-1842) sowie Enkelin von Elisabeth Berenberg (1749-1822), Alleinerbin des Hamburger Handels- und Bankhauses Berenberg – heute Deutschlands älteste Privatbank. Zusammen bewohnten Johannes und Emilie ein großes Haus im Cremon Nummer 38 sowie ein Sommerhaus in Harvestehude und bekamen elf Kinder. Während ihre fünf Töchter in die angesehenen Hamburger Familien Lattmann, Merck, Siemsen, Ruperti und Sieveking einheirateten, wurden fünf der sechs Söhne Kaufmänner und Reeder in Hamburg und New York. Nur der Zweitälteste, Johannes, studierte Medizin und arbeitete anschließend als Armenarzt. Wilhelm, ältester Sohn sowie späterer Besitzer des heutigen Amsinckparks, führte zusammen mit seinem Bruder Heinrich (1824-1883) das Familienunternehmen erfolgreich in die nächste Generation. Bereits mit 28 Jahren war Wilhelm von seinem Vater Johannes als Teilhaber bei „Johannes Schuback & Söhne“ aufgenommen worden, Heinrich folgte ihm vier Jahre später. Gemeinsam retteten die Brüder das Handelshaus unbeschadet über die Wirtschaftskrise von 1857 hinweg und bauten den Unternehmenserfolg in den kommenden Jahren weiter aus. Dabei herrschte innerhalb und auch außerhalb des Geschäfts strenge Arbeitsteilung. Während sich Wilhelm um die Finanzen kümmerte und das Unternehmen im Direktorium der Hapag vertrat, war Heinrich für den Schifffahrtsbereich zuständig und zeitweilig sogar Präses der Commerz-Deputation, der heutigen Handelskammer.

Auch Wilhelm und Heinrichs jüngere Brüder Ludwig Erdwin (1826-1897) und Gustav (1837-1909) wurden angesehene Kaufleute; Ludwig Erdwin gründete 1850 in New York gar sein eigenes Handelshaus „L.E. Amsinck“, das zunächst eng mit „Johannes Schuback & Söhne“ zusammenarbeitete und sich nach dem Eintritt seines Bruders Gustav unter dem Namen „G. Amsinck & Co.“ zu einem bedeutenden Warenkommissions- und Bankgeschäft entwickelte. Das von Gustav für seine Besuche in Hamburg erworbene „Amsinck-Palais“ am Neuen Jungfernsieg ist mittlerweile zum Quartier des renommierten Übersee-Clubs geworden. Martin Garlieb (1831-1905), der letzte noch Fehlende unter den sechs Brüdern, wurde zunächst Schiffbauer und später erfolgreicher Reeder. Sein eigenes Unternehmen „M.G. Amsinck“ entwickelte sich, auch dank der Zusammenarbeit mit „Johannes Schuback & Söhne“, zu einer bedeutenden Segelschiffsreederei in Hamburg. Wie sein Bruder Heinrich hatte sich auch Martin Garlieb im Verwaltungsrat der Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft, kurz Hamburg-Süd, engagiert. Der nicht mehr existierende Amsinck-Kai auf dem Kleinen Grasbrook erinnerte bis in die 1970er Jahre hinein an den angesehenen Reeder. Die Geschwister blieben, ähnlich ihren Vorfahren und auch ihren Nachkommen, zeitlebens nicht nur freundschaftlich sondern auch geschäftlich eng miteinander verbunden. Es scheint das Geheimnis für den Erfolg der Familie Amsinck zu sein. 

Auch aktuell haben mit den Brüdern Henry und Peter Amsinck zwei Familienmitglieder die Geschäftsführung des Handelshauses inne. Sie führen das Unternehmen heute in der siebten Generation. Die Familie Amsinck steht aber nicht nur für politische und wirtschaftliche sondern auch für kulturelle Teilhabe. Ein Beispiel dafür ist der kunstliebende Erdwin Amsinck, Gründer des New Yorker Handelshauses, der der Stadt Hamburg zahlreiche Kunst- und Kulturobjekte aus seinen eigenen Sammlungen schenkte. Die nach seinem und seiner Ehefrau Antonie, geb. Lattmann (1848-1921) Tode gegründete Erdwin Amsinck-Stiftung ist seit vielen Jahrzehnten Förderer von Kunst und Künstlern.

Cornelia Wilhelmine Amsinck (1800-1861), Nichte von Bürgermeister Wilhelm Amsinck (1752-1831) und spätere Ehefrau des Hamburger Bürgermeisters Johann Ludwig Dammert (1788-1855). Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, 1805, HAMBURGER KUNSTHALLE
Elisabeth de Hertoghe (1583-1625), Ehefrau von Rudolp Amsinck, Ölgemälde von David Kindt, 1604, MUSEUM FÜR HAMBURGISCHE GESCHICHTE