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Eppendorf Wie ein kleines Dorf zum teuren Pflaster wurde

September 2017
Von Karin Kuppig

Einst lebten hier Bauern und Nonnen, heute zählt Eppendorf zu den begehrtesten Wohnvierteln der Stadt. Wir erzählen die ganze Geschichte von Hamburgs ältestem Dorf.

Großbürgerliche Architektur, viel Grün und urbane Lebensqualität machen Hamburgs ältestes Dorf für viele zu einem Ideal vom gepflegten Leben in der Großstadt. Doch genau das, was das Image des viel beneideten Stadtteils ausmacht – die Isestraße, der Eppendorfer Weg und der Eppendorfer Baum –, gehört verwaltungstechnisch gar nicht zum eigentlichen Stadtquartier. Den Mittelpunkt des Stadtteils bildet vielmehr die verkehrsreiche Kreuzung um den Eppendorfer Marktplatz, der einst das Zentrum eines kleinen Bauerndorfes war. Der historische Kern lag erhöht auf einem Abschnitt des Geestrückens und breitete sich zwischen der Eppendorfer Landstraße, der Ludolfstraße und dem Schrammsweg aus. 

Als der heute zum Bezirk Hamburg-Nord gehörende Stadtteil im Jahre 1140 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde, gehörten zum Kirchspiel Eppendorf fünfzehn weitere Dörfer aus dem Hamburger Umland wie zum Beispiel Niendorf, Hummelsbüttel und Ochsenzoll. Als verbindendes Element des weitläufigen Kirchspiels diente die Kirche St. Johannis-Eppendorf, deren Gründung vermutlich bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht. 

Sie war ein Motor für die Entwicklung Eppendorfs, und durch ihr großes Einzugsgebiet wurden zahlreiche Handwerker und Gewerbetreibende dazu ermutigt, sich rund um die Kirche anzusiedeln. 1227, nach der Schlacht bei Bornhöved, in der Graf Adolf IV. von Schauenburg als Sieger über die Dänen hervorging, gehörte Eppendorf fortan zur Grafschaft Holstein-Stormarn, bis die Schauenburger 1343 das Dorf Eppendorf an das Kloster Harvestehude abstießen. Zu dieser Zeit zählte das Dorf bereits acht abgabepflichtige Höfe. 

Kloster St. Johannis-Eppendorf, Foto SHMH

Von Vögten und Nonnen 

Die Nonnen des Zisterzienserinnenklosters, das sich in der Nähe der Straße Frauenthal befand, setzten für die Verwaltung ihres umfangreichen Besitzes, zu dem weit mehr als Eppendorf gehörte, ein Ratsmitglied der Stadt Hamburg ein. Diese als Vögte bezeichneten Laien ermöglichten ihnen, sich an den biblischen Grundsatz zu halten, sich nicht mit weltlichen Dingen beschäftigen zu müssen. Der Klostervogt hatte auf die Grenzen des Klosters zu achten und war mit der polizeilichen Aufgabe betraut, die Abgaben der Bauern einzutreiben. 

Zwischen Alsterfluss und Isebek befand sich ein tiefer liegendes Gebiet, das als Gemeindewiese genutzt wurde. Auf der sogenannten Looge hatten die Kätner (die Bewohner und Eigentümer einer Kate) das Recht, Kühe und Pferde weiden zu lassen sowie Torf zu stechen. Im Gegenzug mussten die Kätner vertraglich festgesetzte, unentgeltliche Arbeitsdienste für das Kloster Harvestehude erbringen. Nach der Reformation fielen die geistlichen Ländereien unter das Verwaltungsrecht der Stadt und kamen 1830 unter die staatliche Verwaltung der Landherrenschaft der Geestlande. 1871 erhielt Eppendorf den Status eines Vororts und wurde 1894 nach Hamburg eingemeindet. 

Ehemaliges Wohngebäude des Klostervogts

In den Bereich des Klostervogts gehörte die Pflege der Ländereien, der Holzungen sowie der Land- und Wasserwege und die Kontrolle des Jagdtierbestandes. Das ehemalige Wohn- und Dienstgebäude des Klostervogts aus dem Jahre 1778 am Eppendorfer Marktplatz 11 gegenüber der Bushaltestelleninsel ist noch heute erhalten. Das erhaltene Fachwerkhaus mit Backsteinausmauerung, erneuert 1806, steht unter Denkmalschutz und kann von außen besichtigt werden.

Auf dem Kram- und Viehmarkt 

Bis 1894 fand auch einmal jährlich am Montag vor Vitus (15. Juni) der Eppendorfer Kram- und Viehmarkt statt. Er wurde 1817 eingeführt, um die durch die napoleonische Besatzungszeit geschwächte Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. 

Nach diesem Markt mit Lebensmittelständen, bunten Buden und akrobatischen Darbietungen erhielt der Eppendorfer Marktplatz seinen Namen. Ein weiteres der wenigen erhaltenen baulichen Überreste des alten Dorfkerns ist das Willsche Palais in der Ludolfstraße 19. Es gehörte zu einer nicht geringen Anzahl von Gartenhäusern, die sich seit dem frühen 18. Jahrhundert um den Eppendorfer Marktplatz gruppierten. Im Süden reihten sich die ansehnlichen Sommerhäuser entlang der Eppendorfer Landstraße sogar bis zum heutigen Loogestieg. Die wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilien wichen zunächst nur im Sommer nach Eppendorf aus, um den beengten und stickigen Verhältnissen der von den Wallanlagen eingekreisten Stadt zu entkommen. Aber seit der Aufhebung der Torsperre 1861 wurden die Zeiten, in denen sich die Familien draußen in Eppendorf aufhielten, immer ausgedehnter. Einige Grundstücke erstreckten sich auch damals schon bis an die Alster, und wer etwas auf sich hielt, zeigte seinen Reichtum mit einem aufwändig gestalteten Garten. 

Landhaus von Georg Nikolaus Knaur in Eppendorf, von der Gartenseite gesehen. Porzellan, SHMH/Altonaer Museum

Auf den ehemaligen Eppendorfer Ackerflächen westlich des Eppendorfer Wegs wurde 1889 ein großes Staatskrankenhaus, das heutige Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, nach neuestem medizinischem Wissensstand eröffnet. Die Aufstellung vieler kleiner Pavillons in weitem Abstand zueinander sollte die Verbreitung von Infektionskrankheiten verhindern. Die einstöckigen lichtdurchfluteten Pavillons boten Platz für 36 Betten, waren mit einer Dachentlüftung ausgestattet, und die parkartige Umgebung verschaffte den Patienten die nötige Erholung. Als nachteilig erwiesen sich jedoch die langen Wege im Freien, zum Beispiel zum Operationshaus, und die Versorgung mit Medikamenten. Heute dient das UKE der Medizinischen Fakultät der Universität zur experimentellen und klinischen Forschung sowie der Lehre und Ausbildung von Studierenden, Hochschullehrern und Pflegepersonal. Unmittelbar an das Krankenhausgelände grenzt das Stiftsviertel als umgebende Ruhezone.  

Eppendorfer Baum. Foto: SHMH

Großbürgerliche Etagenhäuser

Heute wird ein großer Teil Eppendorfs durch die Architektur der großbürgerlichen Etagenhäuser geprägt. Aber auch die für Hamburg typische Reihenvilla gibt es in vielfacher Ausführung: beispielsweise in der Erikastraße. Was die Größe und Ausstattung der Mietwohnungen betraf, wusste man sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in feinen Abstufungen von einem nur bürgerlichen oder gar kleinbürgerlichen Lebensstil abzugrenzen.

Viele Wohnungen hatten fünf Zimmer und mehr, beidseitig Balkone oder Veranden, die in Vorgärten mündeten, Fahrstühle, Dienstbotenaufgänge, moderne Wasserklosetts und teilweise Zentralheizungen. Zudem waren die Eingangsbereiche mit Marmor, Spiegeln, Balustraden oder elektrischen Lüstern ausgestattet, die zum Teil auch noch heute das Selbstbewusstsein der Eppendorfer prägen. 


Im legendären “Onkel Pö” traten Chet Baker, Al Jarreau, Udo Lindenberg, Otto und der junge Olli Dietrich auf.

Die Höhle von Eppendorf – Das legendäre Onkel Pö 

Onkel Pö war der Kurzname für ein Jazzlokal, das am 1.10.1970 im Lehmweg 44 eröffnete. Als Reverenz an den weltbekannten Veranstaltungsort in New York City trug es den Beinamen „Carnegie Hall“. Das Szenelokal der 1970er und 1980er wurde schnell zum Auftrittsort namhafter internationaler Stars. Der deutsche Rocksänger Udo Lindenberg verewigte das Lokal in seinem Song „Alles klar auf der Andrea Doria“ mit der Textstelle „Bei Onkel Pö spielt ne Rentnerband seit zwanzig Jahren Dixieland…“. 1985 kam das Aus für den Club. Die Bauaufsicht stellte fest, dass die Musikanlage durch die damit verbundenen Vibrationen die Standsicherheit des Gebäudes im Laufe der Zeit massiv beeinträchtigt hatte. Seither beherbergt das Haus verschiedene Restaurants.

Das Haus heute: Heimat der Restaurant-Kette “mama”.

Ernst Thälmann – ein Bewohner Eppendorfs 

Ende des 19. Jahrhunderts entstanden nordwestlich des Eppendorfer Marktplatzes im Gegensatz dazu fünfgeschossige Mietskasernen für die Arbeiterschicht. In den Straßen und den eng bebauten Innenhöfen rund um die Kegelhofstraße herrschte eine der höchsten Baudichten Hamburgs. Politisch stand das Proletariat den Kommunisten und Sozialdemokraten nahe. Die Wahlanhänger trafen sich regelmäßig in einem berüchtigten Lokal namens „Rote Burg“ in der Niendorfer Straße (heute Geschwister-Scholl-Straße). Auch Ernst Thälmann, Mitglied und später Vorsitzender der Kommunistischen Partei und Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, wohnte um die Ecke in der Tarpenbekstraße 66. Wohnungen für eine durchmischte Mittelschicht wurden in den 1920er-Jahren rund um die Lenhartzstraße in Klinkerbauweise errichtet. Ende der 1960er-Jahre zogen Studenten und junge Akademiker in die zwischenzeitlich günstig gewordenen und stark sanierungsbedürftigen Altbauwohnungen, die heute leider nur noch für wenige erschwinglich sind. Denn mittlerweile glänzt die herrschaftliche Etagenhausarchitektur wieder in strahlendem Weiß.