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Damals im Hafen: Die Helmtaucherei

März 2019

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es Berufstaucher, die in der Hafenwirtschaft eine wichtige Rolle spielten. Historisches Tauchgeschirr und eine Taucherdruckkammer im Deutschen Hafenmuseum zeigen die Arbeitswelt der Hafen- und Bergungstaucher.

Technische Entwicklung 

Der 1788 in Sachsen geborene August Siebe ging als junger Handwerker nach England und entwickelte dort in Zusammenarbeit mit dem englischen Taucher John Deane um 1819 ein Gerät, das den Grundstein für die moderne Helmtaucherei legte. Dieses „offene“ Tauchgerät  bestand aus einem Kupferhelm mit daran befestigter Jacke. Der Taucher John Deane war damit sehr erfolg­reich in der Bergung tätig. So tauchte er im Solent vor Spithead nach dem Wrack des 1782 gesunkenen Schlachtschiffs „Royal George“, das die Handelsschifffahrt behinder­te. Die Gebrüder John und Charles Deane hoben von dem Wrack zwischen 1832 und 1836 mehrere große und kleine Kanonen. Dabei stießen sie auch auf die „Mary Rose“, von der sie ebenfalls erfolgreich Geschütze abbargen.

Achtzehn Jahre lang experimentierte August Siebe mit seinem „offenen“ Tauchsystem, bis er 1837 ein vollständig geschlossenes Tauchsystem präsentieren konnte, bestehend aus einem wasserdichten Anzug, dem Kupferhelm mit den Ventilen und dem Schulterstück, den Gewichten, den schweren Schuhen, dem Luftschlauch und der Pumpe.

Bergungsarbeiten im Luganer See, Taucherfirma Beckedorf & Co.Hamburg. Foto: Fa. Beckedorf & Co. Hamburg
Equipment für Berufstaucher, Werbeanzeige Anfang des 19. Jahrhunderts. 

Im Jahr 1889 wurde in Lübeck die deutsche Firma Dräger & Gerling gegründet, ur­sprünglich für die Entwicklung und Herstellung von Armaturen und Kohlensäureredu­zierventilen für Bier- und Druckanlagen. Später beschäftigte man sich mit der Konstruk­tion von Hochdruckpumpen und Pressluftflaschen aus Stahl. In einem weiteren Schritt entwickelte man verschiedene Sauerstoffbeatmungs- und Wiederbelebungsapparate. Über ein Rauchschutzgerät entstand kurz darauf ab 1906 ein Tauchgerät. Drei Jahre dauerten die Experimente, bei denen viele neue Erkenntnisse der Tauchmedizin und -technik gewonnen und viele Verbesserungen am Tauchgerät  vorgenommen wurden.

1912  kam das autonome schlauchlose Sauerstoffkreislauf – Helmtauchgerät auf den Markt, bei dem  an Stelle des Rückengewichtes ein Rückenapparat mit  Atemluftver­sorgung kam. In der Folge entstand ein Mischgastauchgerät, das die Gefahr einer Sauerstoffvergiftung ausschloss. Weitere Entwicklungen waren die Pressluft-Brustge­wichte, die man ab 1915 auch bei den Schlauchtauchgeräten zur Selbstrettung der Taucher einführte. Da um die Jahrhundertwende das Telefon als Kommunikationsmittel zwischen Taucher und der Oberfläche gebräuchlich wurde, kombinierte man die Rettungsleine mit dem Telefonkabel.

1839 wurde durch Goodyear die Vulkanisierung von Gummi erfunden. Bis dahin be­standen Tauchanzüge aus gummiplattiertem Leinenstoff. Durch den Einsatz dieses neuen Materials konnte man bei hoher Temperatur reißfeste, hoch elastische  Anzüge und Schläuche herstellen, die dem Taucher gleichzeitig große Bewegungsfreiheit gaben. Um 1840 setzte eine sprunghafte Entwicklung ein. Der erste Berufstaucher in Deutschland war 1860 Friedrich Matthias Harmstorf in Hamburg. Er benutzte eine englische Taucherausrüstung. 1873 gab es bereits drei Taucherunternehmen in Hamburg.

Die Arbeit der Hafen- und Bergungstaucher 

Bei Wasserarbei­ten, Reparaturen an Schleusen, wenn Arbeitsgerät ins Wasser gefallen ist, bei Schiffshavarien, nach Stapelläufen oder zur Kontrolle, auch zum Bergen von Munition – in diesen Fällen waren Tauchgänge notwendig.

Eine Tauchergruppe besteht aus dem Taucher, dem Signalmann, den Pumpenleuten und weiteren Hilfspersonen. Der Signalmann ist neben der Taucherleitung für die Gruppe verantwortlich. Er steuert die technische Anlage, weiß über die Gefahren Be­scheid, beherrscht die Sofortmaßnahmen der Ersten Hilfe. Er führt die Signalleine, ist verantwortlich für das ordnungsgemäße Anziehen des Tauchers, für seine Sicherheit beim Abstieg und Aufstieg sowie für das Stecken, Klarhalten und Einholen von Signal­leine und Schlauch. Die Bedienmannschaft arbeitet auf  Anordnung des Signalmannes. Solange der Taucher im geschlossenen Anzug steckt, darf die Pumpentätigkeit auf keinen Fall unterbrochen werden. Bei schwierigen Aufgaben ist mindestens ein zweiter Taucher einsatzfähig. Der Abstieg erfolgt am Grundtau oder über eine Leiter. In Tidegewässern ist ein Arbeit­en nur bei Stauwasser möglich. In größeren Tiefen kann der Taucher nur tastend arbeiten. Die Aufenthaltsdauer hängt von der Wassertiefe ab.

Wird mit dem schweren Helmtauchgerät getaucht, so müssen vor dem Anlegen der Tauchausrüstung einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Hierbei kontrolliert der Taucher selbst alle Ausrüstungsgegenstände, wobei auf ein einwandfreies Funktio­nieren der Helmventile besonders geachtet werden muss. Da der Tauchanzug keine Wärmeisolierung gewährleistet, zieht der Taucher lange wollene Unterwäsche an. Da­nach wird der Anzug angelegt. Der Taucher steigt durch die Öffnung des elastischen Gummikragens – bei einem Dreibolzenanzug mit Unterstützung von vier Helfern, die den Kragen weit auseinander ziehen. Das Deutsche Hafenmuseum hat als ganz besondere Rarität einen pneumatischen Kragenspreizer, von dem es nur noch drei Exemplare gibt.

Foto: Fa. Beckedorf & Co. Hamburg

Hafen- und Berufstaucher Christian Schuchmann

Wie man Taucher wird, was sich alles in Schiffspropellern verfangen kann und wie ihn ein Tauchgang im Suezkanal fast das Leben gekostet hätte: Christian Schuchmann war 33 Jahre lang Hafen- und Berufstaucher und ist heute einer von vielen Ehrenamtlichen im Deutschen Hafenmuseum, die ihr Wissen in anschaulichen Geschichten und Vorführungen alter Techniken an die Besucher weitergeben. Eine Wasserratte ist er auch nach seinem Ruhestand geblieben und demonstriert bei den Helmtauchervorführungen im Museum das historische Tauchergeschirr.


Das Helmtauchergerät

Pneumatischer Kragenspreizer 

Das Deutsche Hafenmuseum besitzt Dräger – Standardtauchgeräte der 1960er-Jahre. Dieses Helmtauchergerät wird seit den 1970er-Jahren nicht mehr hergestellt, wurde aber bis in die 1980er-Jahre noch viel verwendet.

Zu einer kompletten Ausstattung gehörten:

  • Taucherwollzeug zum Unterziehen
  • Taucheranzug mit Gummikragen
  • Manschetten oder angenähten Handschuhen
  • Taucherhelm in Kupfer mit 4 Fenstern mit Ventilen und Verschraubungen und der Bergeöse, Schulterstück mit Bolzen,
  • Dichtring und Ösen für Brust und Rückengewichte

Nach der Anzahl der Gewindebolzen werden die einzelnen Helmtypen unter­schieden. Alle frühen Helme wurden als Zwölfbolzenhelme angefertigt. Dräger-Helme sind Dreibolzenhelme, die absolut wasserdicht schließen.

Taucherschuhe

  • mit Lederhacken und Schnallriemen
  • aus Leder mit Bleisohlen und Bronzekappen, von Siebe/Gorman aus England. Die Taucherschuhe der Fa. Dräger waren aus Gussstahl gefertigt.

Leibriemen mit Tauchermesser

  • Pressluft-Brustgewicht aus Gehäuse mit Karabinerhaken, mit zwei Pressluft-Stahlflaschen und Verbindungsschlauch
  • Rückengewicht mit Karabinerhaken und Schrittriemen
  • Sitzgewicht

Gewichte des Tauchersystems

  • Helm 15 kg
  • Schulterstück 3 kg
  • Brust- und Rückengewicht je 16 kg Schuhe je 6 kg

Anlegen des Tauchergeschirrs 

Dann werden der Reihe nach die schweren Schuhe (je 6 kg) angelegt, das Schulter­stück (3kg) wird aufgesetzt, der Leibriemen mit dem Messer und dem Schlauchwinkel­stutzen wird umgelegt, die Signalleine befestigt; Brustgewicht (16 kg) und Rückenge­wicht (16 kg) werden am Schulterstück eingehakt und mit dem Schrittgurt untereinander verbunden. Diese beiden Gewichte bilden zusammen mit den schweren Schuhen den Ausgleich zu dem luftgefüllten Anzug, der einen starken Auftrieb hat. Ebenso halten die Gewichte den Helm auf den Schultern des Tauchers. Durch diese Gewichte bekommt der Taucher ein bestimmtes Übergewicht, das für die Standfestigkeit auf dem Grund unter Wasser von großer Wichtigkeit ist. Ohne diese Gewichte könnte sich der Taucher auf dem Boden weder aufrecht noch waagerecht bewegen. Die Gewichte sorgen für eine künstliche Schwerkraft, ohne die auch auf der Erdoberfläche das Laufen unmög­lich wäre.

Foto: Fa. Beckedorf & Co. Hamburg 

Schließlich wird der Helm aufgesetzt und mit dem Schulterstück verschraubt, wobei der Gummikragen des Anzugs bei dem Dreibolzensystem zwischen Helm und Schulter­stück festgeklemmt wird. Danach werden nochmals die Luftzufuhr und die Telefonein­richtung überprüft. Nach Wiederholung der Sicherheitssignale wird  das Frontfenster geschlossen und der Abstieg durch den  Signalmann freigegeben. Bedeckt das Wasser den Helm, wird der Abstieg kurz unterbrochen und eine Dichtigkeitsprüfung des Anzugs und der Leitungen (Luftblasen) sowie eine erneute Überprüfung des Luftablassventils vorgenommen. Wird nichts beanstandet, gibt der Signalmann das Zeichen zum weiteren Abstieg.

Im Unterschied zu den Sporttauchern hat der Berufstaucher unter Wasser seine Auf­gaben zu erfüllen: dazu gehören Kontrollarbeiten,wie die Bodenuntersuchung eines Schiffes nach Grundberührung, mechanische Arbeiten wie das Entfernen von Fest­macherleinen aus Propellern oder das Anschlagen von ins Wasser gefallenen Kolli, bzw. Tätigkeiten bei Bergen von Schiffen – Bergung der Ladung, Schließen von Lecks und Anbringen von Bergetrossen. Taucher schrauben, schweißen oder brennen unter Wasser. Im Hafenbau werden Spundwände gesetzt, Pflasterarbeiten durchgeführt, es wird sogar unter Wasser betoniert. Seit 1840 werden auch Unterwassersprengungen vom Taucher durchgeführt.

Dekompressionskammer

Nach beendeter Arbeit beginnt das Auftauchen, das ebenso wie der Abstieg mit Gefahr verbunden. Für Berufs­taucher beginnt der Arbeitseinsatz häufig erst unterhalb von 40 Metern. Deshalb werden lange Dekompressionszeiten  auf genau festgelegten Dekompressionsstufen, die in verschie­denen Wassertiefen liegen, vorgenommen. Auf diesen Stufen pausiert der Taucher und atmet den nun langsam aus den Geweben austretenden Stickstoff ab. Hierbei verrin­gern sich die Dekompressionsstufen zur Oberfläche hin jedes Mal um 3 Meter, wobei die Pausen aber zeitlich immer länger werden.

Beim Auftauchen scheidet sich der im Körper gelöste Stickstoff in Form von winzigen Blasen aus. Bei allmählichem Aufstieg passiert nichts, bei raschem Hochkommen geht es ihm wie einer Limonadenflasche, die plötzlich geöffnet wird. Die Stickstoffblasen zerstören das Gewebe, es kann zu Lungenembolien kommen. Deshalb muss der Taucher dann schnellstmöglich wieder unter großen Druck gebracht werden, wodurch die Ausdehnung der Gasblasen verlangsamt wird. Dafür gibt es Druck- oder Dekompressionskammern – luftdichte, druckfeste Behälter zur kontrollierten Steigerung oder Absenkung des Luftdrucks, damit sich die Taucher nach langen und tiefen Einsätzen wieder an den atmosphärischen Luftdruck anpassen können. Unter Umständen müssen sie einige Stunden darin ausharren. Denn je länger der Taucher dem Druck ausgesetzt ist, desto mehr Stickstoffgas dringt in den Körper.

Die funktionsfähige Taucherdruckkammer der Bugsier-Reederei, die im Schaudepot des Deutschen Hafenmuseums ausgestellt ist, war mit Zubehör in einem 20-Fuß-Container bei Tauch- und Bergungsarbeiten in Tiefen über 10 Meter im Einsatz. Sie wurde 1968 gebaut und war in Nordwesteuropa und im Suez-Kanal in Betrieb. Foto: Wera Wecker

Die Druckkammer 

Dekompressionskammer im Schaudepot des Deutschen Hafenmuseums. Foto: Wera Wecker

Druckkammer für Taucher

Bugsier-, Reederei- und Bergungs-Gesellschaft mbH & Co. KG
Hersteller: Dräger Werke Lübeck
Baujahr: 1968
Länge: 3,85 Meter
Durchmesser: 1,30 Meter
Inhalt: 4.150 Liter
Betriebsdruck: 5 bar, Prüfdruck: 7.5 bar

Hochdruck-Kompressor

Baujahr: 1970
Lieferdruck: 200/300 bar, umschaltbar
E-Motor: 21,5 AH, 11 kW

Flaschenbatterie als Druckluftspeicher

10 Stahlflaschen mit je 50 l / 200 bar mit Druckminderer

Helmtauchervorführungen

Der Hamburger Hafen hat seine eigene Unterwasserwelt. Spundwände, Brückenpfeiler, Schleuse, Siele, aber auch die Rümpfe von Schiffen gehörten dazu. In dieser dunklen Welt verrichtet der Hafentaucher seine schwere Arbeit. Heutzutage führen die Hamburg Port Authority (HPA) sowie die Polizei und Feuerwehr je eine Tauchergruppe mit modernstem Gerät. Einmal im Monat zeigt ein Team von Ehrenamtlichen, wie so ein Tauchgang noch bis in die 1980er Jahre ablief. Der Taucher zieht mit Hilfe von zwei Gehilfen ein Kupferhelmtauchgerät an, das ein Gewicht von 60 kg hat. Besonders groß ist die Begeisterung, wenn die Zuschauer die Handpumpe bedienen dürfen, um den Taucher mit Luft zu versorgen. Vor und nach dem Tauchgang beantwortet das Taucherteam die Fragen der großen und kleinen Besucher.

Aktuelle Termine finden Sie in unserem Veranstaltungskalender

Hafentaucherei im Deutschen Hafenmuseum. Foto: Sinje Hasheider