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Der Goldschmidtpark in Bahrenfeld

Bereits 2020 erhielt der Goldschmidtpark seinen jetzigen Namen. Davor hieß er Bonnepark. Aber wieso wurde er umbenannt? Wer waren der ehemalige Namensgeber Georg Bonne und die neue Namensgeberin Käthe Starke-Goldschmidt? Und wie wurde die heutige Parkfläche früher genutzt?

Jana Heinrich, 2023

Der Bahrenfelder See (heute im westlichen Teil des Goldschmidtparks), fotografiert von Rudolph Crell 1895 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: AB10077-339). Damals hatte der See eine Tiefe von 9 Metern.
Der Bahrenfelder See (heute im westlichen Teil des Goldschmidtparks), fotografiert von Rudolph Crell 1895 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: AB10077-339). Damals hatte der See eine Tiefe von 9 Metern.

Plan der Stadt Altona, 1907 (Altonaer Museum, Inv. Nr. AB10879). Mittig ist der Bahrenfelder See und darüber das Gelände des heutigen Parks zu sehen.
Plan der Stadt Altona, 1907 (Altonaer Museum, Inv. Nr. AB10879). Mittig ist der Bahrenfelder See und darüber das Gelände des heutigen Parks zu sehen.

Der Goldschmidtpark liegt nördlich der Autobahnauffahrt Bahrenfeld zwischen der Silcherstraße und der Bahrenfelder Chaussee. Ursprünglich gehörte die Fläche zu der 1895 erbauten Villa des Carl Friedrich Gayen. Das Gebäude wurde während der Zeit des Nationalsozialismus zu einem Wohnhaus mit sechs Wohnungen umgebaut und schließlich 1972 wegen des Baus A7 abgerissen. Der Park, an den noch einige alte Bäume erinnern, blieb erhalten. Noch ist er durch die A7 in zwei Teile getrennt, doch das ändert sich in den nächsten Jahren. Bis voraussichtlich Ende 2028 wird in Altona ein Tunnel/Deckel für die A7 gebaut. Über dem Tunnel sollen dann die zwei Parkhälften wieder miteinander verbunden werden.


Georg Bonne

Georg Bonne (1859-1945) war ein Arzt, Publizist und ein Autor, der für rassistisches Gedankengut warb. Er wurde in Hamburg geboren und lebte große Teile seines Lebens in Klein Flottbek. Aufgrund seines Engagements im Bereich Gewässerschutz, der sozialen Wohnungsreform und der Bekämpfung von Rauschmitteln wurde nicht nur der Park, sondern auch eine Straße in Nienstedten nach ihm benannt.

Unberücksichtigt blieben dabei jedoch Georg Bonnes stark antisemitische und rassistische Überzeugungen, die sich auch in seinen Texten wiederfinden. Er beschrieb die angebliche Überlegenheit der blonden, „arischen“ Menschen, im Gegensatz zu „degenerierten jüdischen“ Menschen. Er glaubte an ein Konzept der „Rassenhygiene“, um den „Rassetod“ des deutschen Volkes zu verhindern. Er war schon Jahrzehnte vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten antisemitisch eingestellt, und verbreitete diese Meinung auch. So ist es naheliegend, dass er sich mit den Nationalsozialisten identifizierte und Hitler verehrte. Georg Bonne war der Meinung, seine Gedanken würden mit denen Hitlers übereinstimmen, er würde sich „in meinem ganzen Denken und Fühlen eins wisse[n]“. In den Altonaer Nachrichten vom 13.03.1934 hieß es:

Georg Bonne, Hamburger Nachrichten 10.08.1934 http://purl.org/pressemappe20/folder
Georg Bonne, Hamburger Nachrichten 10.08.1934 http://purl.org/pressemappe20/folder

„Die Synthese des Nationalen mit dem Sozialen, wie wir sie heute im Nationalsozialismus verkörpert sehen, ist seit 50 Jahren Ziel und Richtung für Bonnes gesamte Lebensarbeit gewesen.“

Altonaer Nachrichten vom 13.03.1934

Namensänderung

Aufgrund von Bonnes Nähe zum NS-Regime wurden bereits 1995 Stimmen mit der Forderung nach einer Umbenennung des Bonneparks und der Bonne-Straße laut. Aber erst Ende Januar 2020 fasste die Bezirksversammlung Altona den offiziellen Beschluss, die damalige Georg-Bonne-Straße umzubenennen. In dem Beschluss wurde außerdem empfohlen, dem Bonnepark ebenfalls einen neuen Namen zu geben.

Im Sommer 2020 wurde die Öffentlichkeit über Plakate dazu aufgerufen, Vorschläge für die Namensänderungen abzugeben. Die Kriterien zur Auswahl des Namens stellte die AG Verkehrsflächenbenennung zusammen: eine weibliche, bereits verstorbene Person jüdischen Glaubens, mit einem Bezug zu Altona.

Von den 130 eingereichten Vorschlägen entsprachen fünf den Kriterien. Ende September 2020 entschied der Ausschuss für Kultur und Bildung: Der Bonnepark sollte zum Goldschmidtpark werden, benannt nach Käthe Starke-Goldschmidt.


Käthe Starke-Goldschmidt

Käthe Starke-Goldschmidt (geborene Goldschmidt) wurde 1905 in Altona geboren und wuchs in der ehemaligen Ohlendorffsallee, der heutigen Susettestraße, auf. Sie studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg und später Theater- und Literaturwissenschaften in München. Nach dem Studium wollte sie beim Theater arbeiten, aber dieser Plan wurde durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten zerstört. 1935 schlossen diese alle Menschen jüdischer Herkunft aus der Reichskulturkammer aus, später verboten sie alle jüdischen Kulturunternehmungen, auch das Theater.

Ebenfalls 1935 bekam Käthe Goldschmidt einen Sohn von ihrem damaligen Freund Martin Starke. Um ihren Sohn vor der Verfolgung des Regimes zu schützen, versuchte sie zunächst einen nichtjüdischen Kommilitonen zu heiraten. Die Heirat von jüdischen mit nichtjüdischen Personen war jedoch zwei Monate zuvor durch die Nürnberger Gesetze verboten worden. Als letzten Ausweg sah sie sich gezwungen, ihren Sohn als angeblich „arisches“ Kind in einem katholischen Kinderheim in München unter zu bringen. Allein ging sie nach Hamburg zu ihrer Familie zurück.

Käthe Goldschmidt Starke, Stolpersteine Hamburg, Privatbesitz Pit Goldschmidt https://www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=264
Käthe Starke-Goldschmidt, Stolpersteine Hamburg, Privatbesitz Pit Goldschmidt https://www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=264

Die Lage der Juden in Deutschland verschlimmerte sich immer mehr. Es mussten „Judenvermögensabgaben“ gezahlt und persönliche Wertgegenstände abgegeben werden. Konten wurden gesperrt und konnten nicht mehr genutzt werden. Dann wurde der Familie Goldschmidt sogar ihr Haus genommen, 1940 mussten die Schwestern Erna und Käthe in ein sogenanntes „Judenhaus“ umziehen. Zwei Jahre später zogen sie zwangsweise wieder um, diesmal hatten sie nicht mal ein eigenes Zimmer, sondern nur eine behelfsmäßig abgetrennte Ecke in einem Gang.

Derweil wurden immer mehr Deutsche jüdischer Abstammung deportiert. 1943 war es auch für Käthe und Erna Goldschmidt soweit. Mit diesem Transport wurden die letzten Vertreter der Jüdischen Gemeinde Hamburgs und Altonas deportiert.

„In diesem Augenblick endete die altehrwürdige Tradition der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde zu Altona, und die der hochangesehenen und reichen Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg.“

Käthe Starke-Goldschmidt „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“, Berlin 1975


Felix Bloch: "Transport aus Wien kommt an", 1943 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: 2021-0202,50)
Felix Bloch: “Transport aus Wien kommt an”, 1943 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: 2021-0202,50)

Die Lebensverhältnisse im Lager Theresienstadt waren schlecht. Es gab wenig und schlechtes Essen, die Unterkünfte waren überfüllt und die Betten hatten meist weder Matratze noch Bettzeug und waren voller Ungeziefer. Ein Häftling hatte im Durchschnitt 1,4 Quadratmeter Wohnraum.  Über 70% der Menschen, die nach Theresienstadt verbracht wurden, starben. Entweder im Lager oder nach weiteren Deportationen. Von Theresienstadt aus gab es viele Deportationen in andere Konzentrationslager, wie zum Beispiel nach Auschwitz-Birkenau. Für viele war Theresienstadt nur ein sogenanntes „Durchgangslager“, und die Menschen lebten in ständiger Angst vor weiteren Deportationen.

                                        Karel Fleischmann:"Dormitory L 306", 1943 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: 2021-0202,64).
Karel Fleischmann:”Dormitory L 306″, 1943 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: 2021-0202,64).
Alfred Bergel:"Ghettozentralbücherei",1943 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: 2021-0202,36)
Alfred Bergel:”Ghettozentralbücherei”,1943 (Altonaer Museum, Inv. Nr.: 2021-0202,36)

In Theresienstadt mussten die Schwestern Zwangsarbeit leisten. Käthe Goldschmidt kam zuerst zu einer Putzkolonne, später zur Zentralbibliothek des Lagers, die Bücher verwaltete, die zuvor Menschen mit jüdischen Wurzeln entwendet worden waren.


Trotz allem überlebten Käthe Goldschmidt und ihre Schwester Erna. Im Mai 1945 wurde das Lager von der sowjetischen Roten Armee befreit. Während und nach der Befreiung gelang es ihr, das sich heute in der Sammlung des Altonaer Museums befindliche „Theresienstadt-Konvolut“ zu retten. Es handelt sich um ein bedeutendes Dokument der jüdischen Selbstverwaltung im Ghetto Theresienstadt. Neben einem Rechenschaftsbericht der „Ghettozentralbücherei“ enthält es 64 Zeichnungen von in Theresienstadt gefangenen deutschen und tschechischen Künstlerinnen und Künstlern. Außerdem umfasst es zwei sogenannte „Prominenten-Listen“ mit Fotos und Lebensläufen von prominenten Inhaftierten. Eine war von der NS-Lagerleitung zusammengestellt worden, die andere vom sogenannten Ältestenrat (dem von der nationalsozialistischen Lagerleitung eingesetzten Gremium für die interne Verwaltung des Ghettos). Nach einer Quarantänezeit durfte sie Theresienstadt im Juli 1945 mit ihrer Schwester verlassen.

Die beiden kehrten nach Hamburg zurück und zogen nach Othmarschen. 1946 holte Käthe Goldschmidt ihren Sohn Peter Michael (genannt Pit) aus München zu sich und heiratete 1950 dessen Vater, Martin Starke, der das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau überlebt hatte.

In Hamburg setzte sie sich für den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde ein und arbeitete für verschiedene jüdische Organisationen. 1975 veröffentlichte sie das Buch „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“, in dem sie von ihren Erinnerungen an Theresienstadt berichtet.

Käthe Starke-Goldschmidt starb am 10. August 1990 in Hamburg.

Das von ihr bewahrte Theresienstadt-Konvolut gelangte über das Vermächtnis ihres Sohnes Pit Goldschmidt 2021 in die Sammlung des Altonaer Museums.

Mit der Umbenennung des Goldschmidtparks soll die Erinnerung an ihre Geschichte und die vieler anderer vom NS-Regime verfolgter Altonaerinnen und Altonaer im Gedächtnis bleiben.


Literatur:

  • ZBW Pressearchive Mappe zu Georg Bonne. Verfügbar unter: http://purl.org/pressemappe20/folder/pe/002149
  • Darin: „Sanitätsrat Dr. Bonne 70 Jahre“, Hamburger Fremdenblatt Nr. 220, 10.08.1929
  • Darin: „Dr. Georg Bonne 75 Jahre“, Hamburger Nachrichten Nr. 369, 10.08.1934
  • L. Schumacher: „Ein Arzt seines Volkes – 50jähriges Doktorjubiläum von Sanitätsrat Dr. Georg Bonne in Kl.-Flottbek“ in: Altonaer Nachrichten 13.03.1934
  • „Bahrenfeld Bonnepark“, Hamburger Parkanlagen. Verfügbar unter: Bonnepark – hamburg.de
  • Dr. David Templin: „Wissenschaftliche Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennnamen“, 2017. Verfügbar unter: https://www.hamburg.de/contentblob/13462796/1d4b36cbfb9adc7fca682e5662f5854d/data/templin-abschlussbericht-ns-belastete-strassennamen.pdf
  • „Georg-Bonne-Straße und Bonnepark werden umbenannt – Senat beschließt auf Vorschlag des Bezirkes Benennung in Sophie-Rahel-Jansen-Straße und Goldschmidtpark“, Pressemitteilung Hamburg Altona, 2021. Verfügbar unter: Umbenennung Georg-Bonne-Straße und Bonnepark – hamburg.de
  • Auszüge aus Sitzungen des Ausschusses für Kultur und Bildung der Bezirksversammlung Altona (25.05.20, 07.09.20, 28.09.20). Verfügbar über den Sitzungskalender: https://sitzungsdienst-altona.hamburg.de/bi/si010_e.asp
  • Birgit Gewehr: „Dr. Käthe Starke-Goldschmidt“ in: Stolpersteine in Hamburg-Altona mit Elbvororten, 2015. Verfügbar unter: https://www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=264
  • Birgit Gewehr: „Martin Starke“ in: Stolpersteine in Hamburg-Altona mit Elbvororten, 2015. Verfügbar unter: https://www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=263
  • Käthe Starke: „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt : Bilder, Impressionen, Reportagen, Dokumente“, Berlin 1975.
  • Vojtěch Blodig: Artikel über Theresienstadt, 2020. Verfügbar unter: https://www.holocaust.cz/de/geschichte/ghetto-theresienstadt/