Die World Press Photo Foundation zeichnet seit 1955 jedes Jahr die besten internationalen Pressefotografien des jeweiligen Vorjahres mit dem World Press Photo Award aus. Die Themen des größten und renommiertesten Wettbewerbs dieser Art reichen von politischen Auseinandersetzungen über Umweltprobleme bis zu Sportreportagen und Momenten aus dem Alltagsleben. Die preisgekrönten Fotografien werden in einer Wanderausstellung gezeigt, die in mehr als 80 Städten auf der ganzen Welt von über einer Million Besucher*innen gesehen wird. Die Magazine GEO und STERN präsentieren die Ausstellung seit über 25 Jahren in Hamburg – dieses Jahr werden die prämierten Bilder erstmalig im Altonaer Museum zu sehen sein.
Eine unabhängige Jury hat die Gewinner*innen des World Press Photo Award 2022 aus 64.823 Beiträgen von 4.066 Fotograf*innen aus 130 Ländern ausgewählt. Die insgesamt 24 prämierten Fotograf*innen stammen aus 23 Ländern: Ägypten, Argentinien, Australien, Bangladesch, Brasilien, Deutschland, Ecuador, Frankreich, Griechenland, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Kolumbien, Madagaskar, Mexiko, die Niederlande, Nigeria, Norwegen, Palästina, Russland, Sudan und Thailand.
Die ausgezeichneten Arbeiten bieten eine beeindruckende Vielfalt von Perspektiven aus allen Teilen der Welt und präsentieren mutige Geschichten und einzigartige Einblicke zu aktuellen Konflikten und Ereignissen – von den unbestreitbaren Auswirkungen der Klimakrise über die weltweit zunehmenden Kämpfe um gesellschaftliche Gleichberechtigung bis hin zu den Diskussionen über den Schutz und die Bewahrung indigener Kulturen und deren Lebensräume.
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Ein erster Einblick in die Ausstellung
WORLD PRESS PHOTO OF THE YEAR
KAMPLOOPS RESIDENTIAL SCHOOL
Am Straßenrand sind rote Kleider an Kreuzen aufgehängt. Sie erinnern an die Kinder, die in der Kamloops Indian Residential School, einer Einrichtung zur Assimilierung indigener Kinder, gestorben sind. Das Bild entstand in Kamloops, British Columbia, am 19. Juni 2021, nachdem 215 nicht gekennzeichnete Gräber entdeckt wurden.
Die Internatsschulen wurden im 19. Jahrhundert als Teil einer Politik der Zwangsassimilierung von Menschen aus verschiedenen indigenen Gemeinschaften von europäischen Kolonist*innen und Missionar*innen eingerichtet. Bis zu 150 000 Schüler*innen wurden gewaltsam von ihrem Zuhause und ihren Eltern getrennt, durften oft nicht in ihrer eigenen Sprache kommunizieren und wurden körperlich und manchmal auch sexuell misshandelt.
Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission kam zu dem Schluss, dass mindestens 4.100 Schüler*innen während ihres Aufenthalts an den Schulen starben. Die Kamloops School war die größte Schule dieses Systems der Zwangsassimilierung. Im Mai 2021 wurden bei einer Untersuchung mit Hilfe von Bodenradar bis zu 215 potenzielle Jugendgräber in Kamloops identifiziert, was Berichte aus mündlichen Überlieferungen bestätigte.
Amber Bracken ist freiberufliche Fotojournalistin in Edmonton, Kanada. Sie fotografiert vor allem im Westen Nordamerikas und setzt sich mit der sozialen und kulturellen Situation der dortigen indigenen Bevölkerung auseinander. In jüngster Zeit konzentrierte sich ihre Arbeit auf die Folgen der erschütternden Ereignisse in den Residential Schools für indigene Kinder und Jugendliche und auf die Kämpfe um Landrechte von indigenen Menschen, die aus ihren historischen Territorien vertrieben wurden. Als Fotografin arbeitet sie für National Geographic, The Globe and Mail, The Wall Street Journal, BuzzFeed, Maclean’s, ESPN und The New York Times. Sie hat zahlreiche Preise und Anerkennungen erhalten, darunter das Marty Forscher Fellowship und einen ICP Infinity Award.
LONG-TERM PROJECT AWARD
AMAZONIAN DYSTOPIA
Das Foto zeigt Mitglieder der Munduruku-Gemeinde, die am 14. Juni 2013 am Flughafen Altamira in Pará, Brasilien, darauf warten, ein Flugzeug zu besteigen. Nach ihrem Protest gegen den Bau des Belo-Monte-Staudamms am Xingu-Fluss reisten sie in die Hauptstadt Brasilia, um der Regierung ihre Forderungen vorzutragen. Die Munduruku-Gemeinschaft lebt an den Ufern des Tapajos-Flusses, ein Nebenfluss des Amazonas. Mehrere hundert Kilometer entfernt plant die Regierung den Bau weiterer Wasserkraftwerke. Trotz des Drucks der indigenen Bevölkerung, von Umweltschützern und Nichtregierungsorganisationen wurde das Projekt Belo Monte gebaut und 2019 fertiggestellt
Der Amazonas Regenwald ist stark bedroht, da Abholzung, Bergbau, Infrastrukturentwicklung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen unter Präsident Jair Bolsonaros umweltfeindlicher Politik an Fahrt gewinnen. Seit 2019 schreitet die Zerstörung des brasilianischen Amazonasgebiets so schnell voran wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Der Amazonas ist ein Gebiet mit einer außergewöhnlichen Artenvielfalt, in dem mehr als 350 verschiedene indigene Gruppen leben. Die Ausbeutung des Amazonas hat eine Reihe sozialer Auswirkungen, insbesondere auf indigene Gemeinschaften, die gezwungen sind, mit einer erheblichen Verschlechterung ihrer Umwelt und ihrer Lebensweise umzugehen.
Lalo de Almeida ist ein in São Paulo, Brasilien, lebender Fotograf. Nachdem er am Instituto Europeo di Design in Mailand, Italien, Fotografie studiert hatte, begann er als Fotojournalist für kleine Agenturen zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Brasilien wechselte er zur Zeitung Folha de São Paulo, wo er 27 Jahre lang arbeitete. Gleichzeitig produzierte er weitere Dokumentarfilmprojekte, darunter “The Man and the Land”. Dieser beschäftigt sich mit der traditionellen brasilianischen Bevölkerung und ihrer Beziehung zur Umwelt. Ab 2010 begann de Almeida mit der Produktion von kurzen Videodokumentationen und multimedialen Erzählungen und schuf eine Reihe von international ausgezeichneten Projekten, darunter A World of Walls, The Battle of Belo Monte und The Climate Crisis. Im Jahr 2012 gewann er den XII Marc Ferrez Award der Nationalen Kunststiftung für ein Projekt über die sozialen Auswirkungen des Baus des Wasserkraftwerks Belo Monte im Xingu-Fluss in Brasilien. Sein Essay über die Opfer des Zika-Virus wurde beim World Press Photo Content 2017 ausgezeichnet und das produzierte Video gewann den ersten Preis beim POY Latam. Seit 2020 wird er von Panos Pictures vertreten.
Ein Mitglied der Quilombola-Gemeinschaft liegt betrunken auf einer Bank. Die Quilombola sind eine afro-brasilianischen Gemeinschaft schwarzen Brasilianer, von denen einige Nachkommen versklavter Völker des afrikanischen Kontinents sind. Das Bild wurde am 29. Januar 2021 in Pedras Negras, São Francisco do Guaporé, Rondônia, Brasilien aufgenommen. Die Vergabe von Landtiteln an Gemeinden, die von ehemaligen Sklaven gegründet wurden, verlief bereits vor der Wahl von Jair Bolsonaro schleppend. Jetzt ist er völlig ins Stocken geraten, da der Präsident beschlossen hat, kein weiteres Land für solche Gemeinschaften im Amazonasgebiet auszuweisen.
Streunende Hunde starren auf das Fleisch, das in einer Metzgerei in Vila da Ressaca hängt. In dem Gebiet wurde früher Gold abgebaut, heute ist es fast vollständig verlassen. Das Foto wurde am 2. September 2013 in Altamira, Pará, Brasilien aufgenommen.
PRÄMIERT IN DER KATEGORIE “SINGLES”
EVIA ISLAND WILDFIRE DYSTOPIA
8. August 2021, Evia (Euböa), Griechenland: Panayiota Kritsiopi schreit vor Verzweiflung auf, als sich der Waldbrand ihrem Haus im Dorf Gouves nähert. Im Juli und August 2021 brachen auf Evia (Euböa) – der nach Kreta größten Insel Griechenlands – riesige Waldbrände aus, nachdem das Land die heißesten Wetterbedingungen seit 30 Jahren erlebt hatte.
Der Großbrand auf Euböa wütete in den großen Wäldern im Norden der Insel sowie in ländlichen und städtischen Gebieten und konnte erst nach zwei Wochen unter Kontrolle gebracht werden. Rund 1000 Feuerwehrleute kämpften gegen den Brand, etwa 2500 Menschen mussten mit Booten evakuiert werden. Nach Angaben der Universität Athen hatte sich das Feuer auf eine Fläche von mehr als 1900 Quadratkilometern ausgedehnt, also auf mehr als die Hälfte der Inselfläche.
Konstantinos Tsakalidis ist freiberuflicher Fotojournalist in Thessaloniki, Griechenland. Er machte seinen Abschluss an der Fakultät für Informatik des Technologischen Bildungsinstituts von Thessaloniki und am Fotozentrum Stereosis. Seit 2013 dokumentiert Tsakalidis verschiedene Themen im Zusammenhang mit der griechischen Krise, darunter das Referendum im Jahr 2015. In den Jahren 2015 und 2016 dokumentierte er den Weg tausender Flüchtlinge von den Inseln der östlichen Ägäis über die Balkanländer nach Mitteleuropa sowie ihr Leben im improvisierten Lager von Idomeni an der griechisch-nordmazedonischen Grenze. Im August 2021 wurde er von Bloomberg News beauftragt, über die Waldbrände in Athen und auf der Insel Evia zu berichten. Tsakalidis ist derzeit Mitbegründer der kollektiven griechischen Fotoagentur SOOC Images und arbeitet für Bloomberg News in Nordgriechenland und berichtet über soziale und politische Themen mit Schwerpunkt Griechenland, Osteuropa und die Türkei.
PRÄMIERT IN DER KATEGORIE “STORIES”
THE PROMISE
Im August 2020 schwor Antonella (12) ihr langes Haar erst dann anzuschneiden, wenn der Unterricht wieder in der Schule stattfinden könne. Wegen der COVID-19 Pandemie musste der Schulunterricht auch in Buenos Aires ausgesetzt werden. Antonella sagte: “Wenn ich endlich wieder in die Schule gehen kann, werden sie wissen, dass ich ein anderer Mensch bin. Ich fühle mich wie ein anderer Mensch.” Am 25. September 2021 – am Wochenende vor dem ersten Schultag nach der langen Corona-Pause, schnitt Antonella sich die Haare ab.
Irina Werning ist eine freiberufliche Fotojournalistin, die sich in erster Linie auf persönliche Langzeitprojekte konzentriert. Sie lebt in Buenos Aires, Argentinien. Werning hat einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, einen Master-Abschluss in Geschichte (Buenos Aires) und einen Master-Abschluss in Fotojournalismus (London). 2006 gewann sie das Ian-Parry-Stipendium (The Sunday Times Magazine und Getty), 2012 den Emerging Photographer Fund – Burn Magazine (Magnum Foundation) und belegte 2012 den ersten Platz beim Sony World Photography Award für Porträtfotografie. Ihr Buch “Back to the Future” wurde vom Time Magazine zu einem der besten Fotobücher des Jahres 2014 gewählt. Im Jahr 2020 wurde sie mit dem Emergency Covid Grant (National Geographic) und 2021 mit einem Pulitzer Reporting Grant ausgezeichnet.
Buenos Aires, Argentinien, 13. Juni 2021: Antonella nimmt via Zoom mit dem Handy ihrer Mutter von zu Hause aus am Unterricht teil. Ihre Eltern sind sehr daran interessiert, dass sie in der Schule auf dem Laufenden bleibt, und organisierten zusammen mit anderen Eltern Gruppenunterricht und virtuelle Treffen über WhatsApp.
Buenos Aires, Argentinien, 29. Juli 2021: Antonella gähnt beim Lernen im Bett. Sie sagte, sie fühle sich beim Lernen zu Hause unmotiviert und lerne oft im Bett, weil sie keine Lust habe aufzustehen.