Die Maler Tobias Duwe, Lars Möller und Till Warwas gehören zur Gruppe der Norddeutschen Realisten, die sich seit mehr als drei Jahrzehnten dem Thema der Malerei vor der Natur, der Pleinairmalerei, verschrieben hat. Die Herausforderungen, mit denen die Freiluftmalerei unter dem norddeutschen Himmel durch wechselnde Wetter- und Lichtverhältnisse verbunden ist, zwingen die Künstler oft zu einem schnellen Arbeiten, das zu einer sehr dynamischen Darstellung ihrer Themen und Gegenstände führt. Ein pastoser Farbauftrag und die Dominanz von klaren und kontrastreichen Farbtönen verleiht den Bildern häufig eine beeindruckende Wirkung von Unmittelbarkeit.
Für die gemeinsame Ausstellung „Elbwärts“ haben sich Duwe, Möller und Warwas zahlreichen bekannten Motiven am Fluss, aber auch prägnanten Orten in der Hamburger Stadtlandschaft genähert, die sie mit jeweils ganz eigenem Blick festgehalten haben und dabei auf künstlerische Weise die Veränderungen in Stadt und Natur dokumentieren. In der Ausstellung im Jenisch Haus werden fast 100 zum Teil großformatige Bilder präsentiert, die größtenteils eigens für die Ausstellung vornehmlich en plain air entstanden und somit erstmals öffentlich zu sehen sind. Unter den Motiven finden sich neben Blicken auf den Elbstrand, den Jenischpark und den Hafen besondere Eindrücke aus dem Schanzenviertel und der Speicherstadt sowie Panoramen der Alster und ihrer Umgebung.
Mit ihren pleinair gemalten Bildern stehen die Norddeutschen Realisten Tobias Duwe, Lars Möller und Till Warwas in der Tradition von einflussreichen Landschaftsmalern wie Max Liebermann, Friedrich Kallmorgen, Max Slevogt oder Thomas Herbst, die bereits im 19. Jahrhunderts den damals noch teilweise unbebauten Elbhang sowie die Ausblicke von Parks und Höhenwegen auf die Elbe in Gemälden festhielten. Eine Besonderheit der Norddeutschen Realisten ist neben der gegenseitigen Inspiration auf Symposien das gemeinsame Aufsuchen von Orten und Motiven in kleinen Gruppen. So sind auch die für die Ausstellung „Elbwärts“ angefertigten Bilder größtenteils in gemeinschaftlicher Arbeit der drei Maler entstanden, bei der sie sich gegenseitig über die Schulter geschaut haben. Doch die Ergebnisse sind alles andere als uniform, sie geben vielmehr die persönlichen Momentaufnahmen der einzelnen Künstler wieder und zeigen, dass der gemeinsame Blick auf Hamburg und die Elbe trotz einer realistischen Herangehensweise in ein breites Spektrum an Wahrnehmungen und Interpretationen münden kann.
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Pleinair malerei
Als Pleinair wird die Freilichtmalerei oder das Malen in der Natur (von französisch: en plein air: „im Freien“) bezeichnet, bei der die Bilder nicht im Atelier, sondern unter freiem Himmel entstehen. Der Begriff der Pleinairmalerei ist vor allem durch die französische Künstlerszene des 19. Jahrhunderts geprägt, deren Malerei in der Natur eine wachsende Popularität genoss und ihren Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte. Bei der Pleinairmalerei geht es nicht nur um eine möglichst getreue Wiedergabe des jeweiligen Ortes oder der Natur im Dialog mit den Menschen, der Landschaft oder der Architektur, sondern um das Festhalten des konkreten flüchtigen Momentes vor Ort und um eine möglichst ungeschönte Darstellung des ausgewählten Sujets.
Diese Herangehensweise eröffnet den Kunstschaffenden eine großen Interpretationsspiel-raum und ein breites stilistisches Spektrum. Im Gegensatz zur Ateliermalerei gibt es beim Malen en plein air meist keine Vorbereitungsstudien oder Vorzeichnungen. Inspiriert aus der Künstlerbewegung in Frankreich, etablierten auch in Deutschland zahlreiche Künstlergruppierungen das Prinzip des gegenseitigen Austausches und des gemeinsamen Malens.
Norddeutsche Realisten
Die Malerei der Norddeutschen Realisten steht für eine künstlerische Tätigkeit im Freien. Der Begriff der „realistischen Malerei“ bedeutet in ihrem Fall aber nicht zwingend eine mimetische Abbildung des Motivs, sondern im Mittelpunkt stehen die subjektiv wahrgenommene Atmosphäre und das Ziel, die jeweiligen Lichtverhältnisse malerisch einzufangen. Diese Vorgehensweise wurde vor allem durch die Künstlerinnen und Künstlern des Impressionismus bekannt, deren stilistische Verfahren und Eigenarten auch in den Bildern der Norddeutschen Realisten zu finden sind.
Die Anfänge der Norddeutschen Realisten gehen auf einen Initiative von Nikolaus Störtenbecker (1940 bis 2022) zurück. Störtenbecker, der bereits im Jahr 1965 die zunächst aus realistisch arbeitenden Malern und Bildhauern bestehende Gruppe „Zebra“ mitbegründete, wendete sich vom Trend zahlreicher Mitglieder, zunehmend verfremdend und abstrakt zu arbeiten, ab und beschäftige sind ab 1977 immer mehr mit der Freilichtmalerei.
Ab 1989 führte er regelmäßig thematische Pleinairs mit weiteren Kunstschaffenden durch und initiierte in der Folge die jährlich stattfindenden Symposien, die bis heute konstitutiv für den künstlerischen Austausch unter den Norddeutschen Realisten sind. Der Erfolg dieser Formate, die von Publikum und Förderern gleichermaßen geschätzt werden, verdankt sich einigen besonderen Faktoren: Zum einen nahm Störtenbecker konsequent eine strenge Auswahl der Mitwirkenden vor, die jedes Jahr neu festgelegt wurden und zum anderen war die Teilnahme an einen hohen künstlerischen Anspruch gebunden, da die Künstlerinnen und Künstler eine Ausbildung an einer Hochschule oder Akademie vorweisen und hauptberuflich in ihrem Fach tätig sein mussten. Die jedes Jahr wechselnden Veranstaltungsorte und Themen der Symposien führten aufgrund der veränderten Konstellationen zu einem bleibenden Dynamik und einem hohen Abwechs-lungsreichtum bei den Ergebnissen.
1995 konstituierte sich daraus die Malervereinigung Norddeutsche Realisten, die das Prinzip der Pleinairmalerei bis heute fortführt. Bevorzugte Motive der beteiligten Künstlerinnen und Künstler sind Inseln in der Nord- und Ostsee mit den typischen Sujets wie Hafen und Sehenswürdigkeiten, aber auch Landschaften mit Flüssen, Parks und Stadtansichten.
Die Symposien mit Gesprächen und Ausflügen zur Einarbeitung in die – manchmal auch im Vorfeld festgelegten – Themen sind noch heute ein wesentlicher Baustein bei der Arbeit der Norddeutschen Realisten. Diese Treffen zum gemeinsamen Malen fanden bisher an der Nord- und Ostsee, aber auch in Schweden, Dänemark, Frankreich und Finnland sowie in Großstädten wie Hamburg, Bremen, Frankfurt und Berlin statt.
Die Künstler
Die drei Künstler sind vor allem im Norden bekannt durch zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen in Institutionen und Museen, zudem Träger von zahlreichen Auszeichnungen. Ihre Werke befinden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen.
Tobias Duwe
Tobias Duwe, geboren 1961 in Bad Oldesloe, studierte an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg bei Almut Heise und Tom Knoth. Neben der Landschaftsmalerei bestimmen Themen aus der Industrie und Arbeitswelt sein künstlerisches Schaffen. Er lebt in Großensee und arbeitet in seinem Atelier in Grande bei Hamburg sowie in St. Aulaire, Frankreich. Seit 1992 nimmt er an den Symposien der Norddeutschen Realisten teil.
Lars Möller
Lars Möller ist 1968 in Hamburg geboren und hat an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg bei Erhard Göttlicher studiert. Nach dem Studium folgten unter anderem eine freiberufliche Tätigkeit als Illustrator für die Zeitschrift „Rolling Stone“ und eine Lehrbeauftragtentätigkeit für Farbe und Form an der HAW im Fachbereich Gestaltung. Er lebt heute in Hamburg und ist seit 1998 Mitglied der Künstlergruppe Norddeutsche Realisten.
Till Warwas
Till Warwas ist 1962 in Bremen geboren und hat an der Hochschule für Künste in Berlin studiert, dort war er Meisterschüler bei Klaus Fußmann. Warwas hatte Dozenturen an verschiedenen Sommerakademien. Heute lebt und arbeitet er in Bremen. Warwas nimmt seit 2002 an den Symposien der Norddeutschen Realisten teil.
Über die Ausstellung “Elbwärts” in Deutscher Gebärdensprache (DGS)
Rahmenprogramm
Workshops zur Ausstellung
für Kinder von 7-11 Jahren
Begleitend zur Ausstellung bietet das Jenisch Haus zwei Workshop-
Formate an. Hands-on lautet das Motto. Was interessiert
mich? Und wir kann ich das kreativ umsetzen? Unter Anleitung
von Kunstschaffenden lernen die Teilnehmenden ihre Wahrnehmung
zu schulen und eigene Perspektiven zu entwickeln. Die
Formate Landart im Jenischpark und Sketchnotes sind über den
Museumsdienst Hamburg zu buchen: museumsdienst-hamburg.de.
Angebote für Schulklassen und Gruppen
Informationen sowie Buchungsmöglichkeiten von Führungen und Gespräche für Gruppen, Studierende, Reisegruppen oder in deutscher Gebärdensprache über:
Museumsdienst Hamburg
Tel. 040 428 131 0
info@museumsdienst-hamburg.de
www.museumdienst-hamburg.de
Sommerfest im Jenischpark
Am 3. September findet im Jenischpark das traditionelle Sommerfest mit den im Park beheimateten Museen und zahlreichen Kunstschaffenden statt. Ab 13 Uhr lädt Tobias Duwe zum Live-Painting ein.
Kooperationsprojekt KUNSTPIONIERE
Innerhalb des Kooperationsprojektes KUNSTPIONIERE der Behörde
für Schule und Berufsbildung entwickeln Schulkinder eigene
künstlerische Positionen. Die Ergebnisse werden zum Ende der
Ausstellung im Jenisch Haus zu sehen sein.
katalog
Der Ausstellungskatalog ist ab sofort im Museumsshop im Jenisch Haus erhältlich.
Elbwärts
Neue Gemälde von
Tobias Duwe · Lars Möller · Till Warwas
96 Seiten
ISBN: 978-3-00-076249-9
20 €