Zum Inhalt springen
Direkt zum Inhalt wechseln

Stammbücher ein wahrer Schatz!

April 2019

In der Bibliothek des Museums für Hamburgische Geschichte lagert wohlverpackt und sicher ein wahrer Schatz: die gesammelten Hamburger Stammbücher. Die Hamburger Stammbücher bieten einen faszinierenden Einblick in die Kultur und Gesellschaft vergangener Jahrhunderte und eine persönliche Perspektive auf verschiedenste historisch relevante Thematiken.

Seite aus dem Stammbuch von Peter Friedrich Röding, 1782-1817, Inventarnummer 1979,718

Was sind Stammbücher? 

Stammbücher entstanden aus den Wappenbüchern, die Reisende gehobener Gesellschaftsschichten im 16. Jahrhundert gerne führten. Sie ließen sich die Wappen ihrer Gastgeber aufzeichnen und konnten somit zeigen, wo und vor allem bei wem sie schon überall gewesen waren. Daraus entwickelten sich die weitaus persönlicheren und oft aufwendig verzierten Stammbücher. In diese trugen sich ab etwa dem 17. Jahrhundert Freunde und Bekannte ein, oft mit einer Zeichnung, einem Zitat oder einer Lebensweisheit. Manche Stammbücher gerieten so zu wahren Verhaltensratgebern. Junge Männer, die für ein Studium in die Welt hinauszogen, bekamen beispielsweise Ratschläge für soziales Verhalten und religiöse Weisheiten mit auf den Weg.

Inhalt der Stammbücher

Eine Person konnte auch mehr als ein Stammbuch haben. Dieselben jungen Männer brachten von ihren Universitäten und Burschenschaften oft gut gefüllte Bücher wieder mit, in denen es dann gar nicht so sittsam zuging. Derbe Sprüche und Witze waren keine Seltenheit. Frauen wiederum gaben die Stammbücher in ihrem Freundinnenkreisen herum. Es sind auch Geschichten von berühmten Schriftstellern wie dem englischen Literaten Alfred Lord Tennyson überliefert, die von ihren Verehrerinnen geradezu belagert wurden, sich in Stammbüchern zu verewigen. Teilweise notierten die Stammbuchbesitzer auch biographische Daten, beispielsweise, wenn jemand heiratete oder verstarb.

Seite aus dem Stammbuch des Johann Leonard Wächter, 1750-1758, Inventarnummer 1960,98
Seite aus dem Stammbuch von Peter Friedrich Röding, 1782-1817
Seite aus dem Stammbuch von Peter Friedrich Röding, 1782-1817

Die Bedeutung der Stammbücher 

Der wahre Wert der Stammbücher liegt daher in den Rückschlüssen, die sich aus ihren Inhalten, aber auch aus ihrem Zustand und ihrer Geschichte ziehen lassen. Wer kennt wen, wer trieb wieviel Aufwand für seinen Eintrag? Was lässt sich aus dem Zustand der Seiten und des Einbands ablesen? Ganze soziale Netzwerke lassen sich so nachvollziehen, die Verbreitung bestimmter Sprüche oder künstlerischer Trends genauso wie die Entwicklung von Schrift und Sprache. Durch die hohe Individualität und fast unerschöpflichen künstlerischen Möglichkeiten bei gleichzeitig verhältnismäßig großer gesellschaftlicher Verbreitung – Stammbücher waren im europäischen Raum in den Gesellschaftsschichten, die des Lesens und Schreibens mächtig waren, beliebt – sind die Stammbücher eine wichtige Quelle historischer Informationen.

Mit kommerziell gestalteten Poesiealben und den heutigen sozialen Netzwerken haben wir den Stammbüchern verwandte Medien auch heute noch vor Augen. Im Museum für Hamburgische Geschichte lagern derzeit fast 250 Stammbücher Hamburger Familien von Beginn des 17. Jahrhundert bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Darunter sind Exemplare mit wunderbaren Zeichnungen und aufwendigen Kunstwerken, aber auch solche mit Einträgen berühmter Persönlichkeiten. Aus der Menge heraus sticht beispielsweise das Stammbuch des Friedrich Ludwig Schröder, einem Schauspieler, der 1816 starb. In seinem Stammbuch verewigten sich einige der größten Köpfe seiner Zeit, unter anderem Lessing und Goethe.

Seite aus dem Stammbuch des Friedrich Ludwig Schröder, 1760-1780, Inventarnummer 1913,607
Seite aus dem Stammbuch von Johann Valentin Meyer, 1764-1798, Inventarnummer 1955,48

Über die Datenbank des RAA (Repertorum Alborum Amicorum) der Gesellschaft für Familienforschung in Franken e.V. sind die Hamburger Stammbücher des MHG erfasst und zum Großteil durchsuchbar.

Projektinformation:

Im Jahr 2019 konnten die Stammbücher im Museum für Hamburgische Geschichte konservatorisch gesichtet und geeignete Maßnahmen zu ihrer langfristigen Erhaltung entwickelt werden. Ausschlaggebend war ein Programm der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK). Das Projekt wurde gefördert durch Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und die Kulturstiftung der Länder.