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Georg Koppmann Hamburgs Dokumentarfotograf

Die neue Brücke über die Norderelbe (1891). Foto: Georg Koppmann

Zur Entstehung von Georg Koppmanns fotografischem Werk für die Freie und Hansestadt Hamburg

Olaf Matthes

 

Georg Koppmann (1842–1909) gehörte zu den bedeutendsten Hamburger Dokumentarfotografen im letzten Drittel des 19. und im frühen 20. Jahrhundert. Allein der beachtliche Umfang seines überlieferten Schaffens in einem Zeitraum von etwa vierzig Jahren sowie die durchgängig hohe Qualität erheben seine Hamburg-Aufnahmen zu bedeutenden Zeugnissen des stadtraumlichen Wandels. Nur sehr wenige Fotografen der Generation Koppmanns waren so lange in Hamburg mit einem eigenen Atelier tätig. Eine wichtige Basis seines beruflichen Erfolgs bestand in der Zusammenarbeit mit der Hamburger Baudeputation; sie fungierte über mehrere Jahrzehnte hinweg als regelmäßiger Auftraggeber. Für Koppmann war diese Tätigkeit mit enormem Prestige verbunden.

Georg Koppmann gründete sein Unternehmen 1865. Neben der Reproduktionsfotografie spezialisierte er sich früh auf Architekturfotografie. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die zur Trennung von seinem Partner G.A.W.Seyffarth führten, stellte er das Geschäft, welches sich zunächst am Neuen Wall 38 befand, solide auf.

Vorbild Paris

Technische Entwicklungen, die es einfacher und billiger machten, Bilder und Abzüge davon herzustellen, fielen zusammen mit den Anfängen des ersten systematischen und tief in die historisch gewachsene Stadttopografie eingreifenden städtebaulichen Erneuerungsprozesses von Paris. Unter Kaiser Napoleon III. (1808–1873) und seinem Präfekten des Departements Seine, Georges-Eugene Haussmann (1809–1891), wurde die Stadt zur ersten europäischen Metropole im modernen Sinne. Paris diente nun mehr denn je als urbanes Vorbild für andere Städte in ganz Europa und darüber hinaus. Neben vielen anderen Bereichen wurde die Stadt auch die erste große „Inspirationsquelle für die zeitgenössischen Fotografen“. Von hier nahm schließlich auch die professionelle Architekturfotografie ihren Ausgang. Seit Napoleon III. und Haussmann trug das immer noch neue und die Zeitgenossen faszinierende Medium Fotografie maßgeblich dazu bei, die enormen baulichen Veränderungen „effektvoll zur Geltung zu bringen“. Hierzu wurden mehrere Fotografen durch die Stadt oder den französischen Staat beauftragt, die baulichen und topografischen Veränderungen bildlich festzuhalten, etwa Charles Marville.

 

Einerseits wollte Haussmann sein Vorgehen rechtfertigen, indem er zeigte, dass zahlreiche Straßen, die seinen rigorosen Abbruchmaßnahmen zum Opfer fielen, finstere, unhygienische Gassen waren und dass es dort keine erhaltenswerten historischen Bauwerke des Mittelalters gab. Andererseits wollte er sein historisches Bewusstsein unter Beweis stellen, indem er „Andenken an die Vergangenheit“ bewahrte und eine Sammlung authentischer Dokumente zusammenstellte, die später eine „echte Sehenswürdigkeit“ sein würden. Die so entstandenen 425 Fotografien Marvilles bildeten nicht nur ein topografisches Verzeichnis der von den durch Abriss und Neubau am meisten betroffenen Stadtvierteln, sie waren auch meisterhaft ausgeführt und galten als so bedeutsam, dass sie als „behördliche Dokumente“ eingestuft wurden. Darüber hinaus nahm Marville neben dem alten und dem Abriss preisgegebenen Paris auch die modernen Bauten der Stadt auf – von den bis 1874 fertiggestellten Markthallen Victor Baltards bis hin zu den etwa neunzig in unterschiedlichen Stilen ausgeführten Gasstraßenlaternen von Gabriel Davioud. Marville hatte dabei den Wünschen und Anweisungen seitens der Verwaltung zu folgen. Sein Werk entstand somit nicht rein zufällig. Einige Arbeiten von Marville sowie anderen Fotografen wurden von Frankreich auf der Weltausstellung in Wien 1873 präsentiert. In bisher ungekanntem Ausmaß zeigte man hier zudem die technischen Möglichkeiten der Fotografie umfassend.

Fotos aus dem Stadtbild:

Hamburg

Der Hamburger Oberingenieur Franz Andreas Meyer sowie Baudirektor Carl Johann Christian Zimmermann besuchten vermutlich die Weltausstellung und wurden so nicht nur auf die französischen Fotografien aufmerksam, sondern auch auf Georg Koppmann, der dort ausstellte.

Nach ihrer Rückkehr von der Weltausstellung waren die Vertreter der Hamburger Baudeputation bestrebt, die beeindruckende fotografische Leistungsschau des architektonischen Wandels von Paris – und ganz generell die Möglichkeiten des technisch immer weiter verbesserten Mediums Fotografie – nunmehr auch für sich zu nutzen. Denn bereits während der Sitzung der Baudeputation am 9. Oktober 1873 brachte ihr Präses, Senator Franz Ferdinand Eiffe (1825–1875), zur Sprache, „ob es sich nicht empfehle in Zukunft bei allen größeren baulichen Umgestaltungen den bisherigen Zustand durch photographische Aufnahmen zu fixieren“. Das Atelier G. Koppmann & Co. bekam den Auftrag. Von herausragender Bedeutung war, dass man Koppmann exklusiv zugestand, die Fotografien, die sein Unternehmen für die Baudeputation anfertigte, auch an private Kunden mit dem Hinweis verkaufen zu dürfen, dass sie „im Auftrage der Bau-Dep[utation]. geschahen“. Diese Zusatzinformation wirkte wie ein amtliches Qualitätssiegel und dürfte eine beachtliche verkaufsfördernde Wirkung gehabt haben.

Wer kümmert sich um den Nachlass?

Der Bestand von Original Abzügen Koppmanns im Museum für Hamburgische Geschichte (MHG) ist das umfangreichste gegenwärtig nachweisbare Inventar in einer öffentlichen Einrichtung. Ebenfalls eine große Sammlung besitzt das Staatsarchiv Hamburg mit mehreren Hundert Aufnahmen. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, die Hamburger Kunsthalle und das Altonaer Museum als die weiteren hier maßgeblichen Hamburger Museen besitzen kleinere Fotobestände von Koppmann. In Bezug auf die Motive decken sich diese jedoch mehr oder weniger mit jenem des MHG.

Über diesen Link finden Sie eine Karte mit Orten, an denen Georg Koppmann fotografiert hat, sowie die Bilder und die Sammlung, in der das Foto zu finden ist: Hamburg um 1900.

Fotos von Feierlichkeiten und Veranstaltungen:

Aufträge der Baudeputation für Koppmann

Die ersten umfangreichen Arbeiten im Auftrag der Baudeputation lieferte Koppmann 1876. In dem Jahr realisierte er eine Serie von mindestens zwölf Aufnahmen des neu errichteten Gaswerkes Barmbek, fotografierte den weiteren Ausbau des 1866 eingeweihten Sandtorhafens, die Große Reichenstraße, die Dienerreihe, den Dragonerstall, die Fleetseite des Hauses Kleine Reichenstraße Nr. 1, den Teerhof, die Brooktorschleuse und Anlagen an der Alster.  Damit bietet bereits dieses Jahr einen repräsentativen Querschnitt der Arbeiten für die Baudeputation.

Einer der wenigen nicht mit der Baudeputation direkt verbundenen Staatsaufträge kam 1899 zustande, als die Hamburger Friedhofsdeputation 32 Aufnahmen des Ohlsdorfer Friedhofs bei ihm anforderte. Sie wurden zusammen mit einem Reliefplan und 14 Aquarellen von Friedrich Wilhelm Schwinge (1852–1913) auf der Pariser Weltausstellung 1900 präsentiert. Ein exklusiver Privatauftrag war eine Serie von Park, Garten und einzelnen Bauten des durch Martin Haller für die Familie von Ohlendorff in Hamburg-Hamm errichteten herrschaftlichen Anwesens.

Im 20. Jahrhundert war wegen der Bestände in öffentlichen Sammlungen über Koppmann die Meinung verbreitet, er sei ein reiner Massenabfertigungsfotograf mit einem „Hang zur Totale“. Die Aufnahmen, die dieser Beurteilung zu Grunde lagen, sind allerdings hauptsächlich im staatlichen Auftrag entstanden, und Koppmann hatte auf die genauen Vorgaben der Baudeputation einzugehen. Tatsachlich liegen eine Reihe von Aufnahmen seit den 1880er Jahren vor – auch für die Baudeputation –, die eine hohe bildkompositorische und ästhetische Qualität aufweisen.

Die Arbeit Koppmanns für die Baudeputation bestand aus mehreren Schritten. Zuerst machte er Aufnahmen der niederzulegenden Bauten, der zu verändernden Straßen und Fleete, der zu urbanisierenden Landgebiete oder der Hafenareale und hielt später auch den Zwischenzustand, wie Baugruben, Baustellen und im Baubefindliche Gebäude fest. Im dritten Schritt wurde dann das fertige Projekt aufgenommen. Im Gegensatz zu den Abrissbauten hatte Koppmann für zahlreiche Neubauten auch Innenaufnahmen anzufertigen. Die Palette reichte von Kohlebunkern der Barmbeker Gaswerke über Maschinenhallen in der Speicherstadt und Badeanstalten, wie in der Lübecker Straße, bis hin zum Neubau der Hauptkirche St. Nikolai oder dem Naturhistorischen Museum. Neben der Dokumentation der Abrissviertel und der großen Neubaukomplexe mit der unter der Oberleitung von Franz Andres Meyer in den 1880er-Jahren errichteten Speicherstadt fotografierte Koppmann aber auch schon frühzeitig – möglicherweise in Analogie zu den Aufnahmen von Charles Marville in Paris – eine Reihe von kleineren Objekten, wie Kandelaber und Gaslaternen, einen Zeitungskiosk oder sogenannte Orientierungsständer.

Schließlich erhielt Koppmann seitens der Baudeputation immer wieder Aufträge, wichtige Ereignisse bildlich festzuhalten. Dabei ging es jedoch weniger darum, die zahlreichen Kaiser- und sonstige Fürstenbesuche als solche zu fotografieren. Der Baudeputation kam es vielmehr darauf an, die hierfür von ihr entworfene, aber vergängliche Festarchitektur und Festdekoration zu dokumentieren. Im Wilhelminischen Zeitalter spielte diese Art der Selbstdarstellung und Repräsentation auch in Hamburg eine enorme Rolle. Das erste wirklich große derartige Ereignis war die Einweihung der Speicherstadt im Rahmen des Zollanschlusses Hamburgs an das Deutsche Reich 1888 durch den jungen Kaiser Wilhelm II. Von Koppmann wurde hierzu erstmals eine ganze Serie von Aufnahmen der üppigen Festdekorationen angefertigt. Ein weitaus aufwendigeres, eher ungewöhnliches und alle bisherigen Maßstäbe von Festarchitektur sprengendes Beispiel bildete die anlässlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Kanals (ab 1948 Nord-Ostsee-Kanal) unter der Leitung von Franz Andreas Meyer errichtete Insel in der Binnenalster. Sie wurde extra für den Kaiser, der dort mit riesigem Gefolge am 19. Juni 1895 einem Feuerwerk und einer musikalischen Soiree beiwohnte, errichtet. 1903 hielt Koppmann anlässlich der pompösen Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Hamburger Rathausmarkt ebenfalls die Festbauten und den Festschmuck der Baudeputation bildlich genau fest.

Fotos der Speicherstadt:

Fotos kleinerer Objekte:

Lange aktiv im Berufsleben

Koppmann blieb bis zuletzt aktiv in seinem Beruf, zog Ende des 19. Jahrhunderts mit seinem Atelier zurück in die Hamburger Neustadt und ließ sich dort sogar einen Fernsprecheranschluss einrichten. Am 4. Juli 1909 starb er recht überraschend. Sein Sohn Gustav Koppmann war bereits einige Jahre zuvor in das Familiengeschäft eingetreten und betrieb es bis 1925 weiter gemeinsam mit seiner Mutter.

Georg Koppmann, Porträt, aufgenommen in seinem Atelier (1906). Foto Staatsarchiv Hamburg