
Hamburg war eines der wirtschaftlichen Zentren des europäischen Kolonialismus. Viele der Waren und Rohstoffe aus Kolonien, die über den Hafen in die Stadt gelangten, wurden in der hiesigen Industrie verarbeitet – auch auf dem Gelände des Museums der Arbeit, einer ehemaligen Gummifabrik.
Einige Hamburger Unternehmen waren deutschland- oder auch europaweit führend in der industriellen Verarbeitung von Kautschuk, tropischen Ölen und Fetten, Kakao und Elfenbein. Insbesondere seit dem 19. Jahrhundert konsumierten zahlreiche Menschen in Europa die daraus hergestellten Produkte. Doch wer denkt bei einem Hartgummi-Kamm schon an Plantagen in Kamerun, wer sieht in der Margarine oder der Christbaumkerze eine Verbindung zu Nigeria, wer erkennt in der Seife einen Bezug zu Samoa? Unsichtbar sind auch das Wissen und die Arbeit der Menschen in den Kolonien sowie die koloniale Gewalt und das mit ihr verbundene Leid.
Die Menschen in den Kolonien gewannen Kautschuk, Öle, Kakao und Elfenbein für Hamburgs koloniale Industrie unter den Bedingungen einer rassistischen Gewaltherrschaft. Sie wurden versklavt, zur Arbeit auf Plantagen und in Karawanen gezwungen, ihrer Existenzgrundlage beraubt und vertrieben. Sie leisteten individuell und kollektiv Widerstand, sei es in Protesten oder Petitionen, durch Flucht, Sabotage oder mit der Waffe.
Mit seiner Sonderausstellung möchte das Museum der Arbeit einen Beitrag zur aktuellen Debatte über den Umgang Hamburgs mit seiner kolonialen Geschichte und zur Diskussion über die langfristigen Folgen kolonialer Herrschaftsstrukturen leisten.
Mit freundlicher Unterstützung




Kurze Einführung der Ausstellung in Deutscher Gebärdensprache
Kurze Einführung in Deutscher Gebärdensprache (DGS) in die Sonderausstellung “Grenzenlosen. Kolonialismus, Industrie und Widerstand” mit Martina Bergmann vom Museumsdienst Hamburg.
Stimmen zur Ausstellung
Im Video kommen zu Wort:
Prof. Dr. Rita Müller, Direktorin Museum der Arbeit
Christopher Nixon, Projektleitung
Dr. Sandra Schürmann, Projektleitung
Kodjo Valentin Gläser, Beirat
Meryem Choukri, Beirat
Prof. Dr. Hans-Jörg Czech, Vorstand Stiftung Historische Museen Hamburg
Dr. Carsten Brosda, Senator der Behörde für Kultur und Medien Hamburg
Stadtplan koloniales Hamburg
Die Karte zeigt eine Auswahl an Orten, die mit der kolonialen Vergangenheit Hamburgs in Verbindung stehen – darunter u.a. die in dieser Ausstellung gezeigten Unternehmen der kolonialen Industrie. Im Laufe der Ausstellung soll dieser Stadtplan mit dem Wissen der Besucher*innen mitwachsen. Also machen Sie mit! Welcher Erinnerungsort fehlt noch? Welches Denkmal fällt Ihnen ein?
Senden Sie Ihre Anmerkungen gerne an info@mda.shmh.de
Diese Karte ist in Zusammenarbeit mit dem Team von efoto Hamburg entstanden.
Das Bookazine zur Ausstellung
Das Bookazine „grenzenlos“bringt unterschiedliche Stimmen und Perspektiven von BIPoC in Deutschland zusammen. In Essays, Interviews, Gedichten, Collagen und Fotografien, bildet die Publikation die vielfältigsten Lebensrealitäten ab. Die Autor*innen führen dabei den Diskurs um die Ausstellungsinhalte selbstständig und kritisch fort. Das Bookazine möchte insbesondere BIPoC erreichen und bietet zugleich durch seinen diversitätssensiblen, diskriminierungskritischen und inklusiven Ansatz allen Leser*innen produktive Lernräume.
Mit Beiträgen u. a. von: Lahya Aukongo, Olenka Bordo Benavides, Elliot Blue, Nikita Dhawan, Diana Ejaita, Natasha A. Kelly, Isaiah Lopaz, Sandrine Micossé-Aikins, Alok V. Menon, Movain, Candice Nembhard, Kofi Shakur, Moro Yapha.
Herausgeber*innen: Josephine Apraku, Rita Müller, Christopher Nixon
170 Seiten, zahlreiche Abbildungen, SHIFT BOOKS (vormals KOCMOC-Publishing Space), ca. 17 €, erhältlich im Museumsladen oder online via SHIFT BOOKS.

Online-Vortrag: Kolonisierte Arbeitswelten
Hier können Sie die Aufzeichnung des Online-Vortrags “Kolonisierte Arbeitswelten: Indische Seeleute im Britischen Empire und in Hamburg (ca. 1890–1939)” von Univ.-Prof. Dr. Ravi Ahuja und Svenja von Jan anschauen. Der Vortrag wurde am 25. Januar 2021 digital innerhalb der Vortragsreihe “(Neo-)Kolonialismus und Arbeit” gehalten, die dem grundlegendem Verhältnis zwischen Kolonialismus und Arbeit in interdisziplinären Perspektiven auf den Grund gehen will. Lesen Sie unten mehr zum Thema und den Referent*innen.
Im vorangegangenen Vortrag der Reihe hat Univ.-Prof. Dr. Nikita Dhawan erläutert, wie die europäische Aufklärung die Etablierung von ausbeuterischen und gewaltvollen Arbeitsregimen in den europäischen Kolonien etablieren half, die heute noch in neokolonialen Zusammenhängen fortgesetzt werden. Ravi Ahuja und Svenja von Jan liefern nun eine historische Perspektive. Ein Viertel der Beschäftigten in der britischen Schifffahrtsindustrie stammten zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Kolonie “Britisch-Indien”. Die Referent*innen fragen infolgedessen danach, was ihre Beschäftigung für britische und deutsche Reeder interessant machte und welche Spuren die indischen Arbeiter*innen in den europäischen Häfen wie Hamburg hinterließen.
Univ.-Prof. Dr. Ravi Ahuja ist seit 2009 Professor für moderne indische Geschichte an der Georg-August-Universität Göttingen. Er forscht zur Sozialgeschichte maritimer Arbeit in Südasien und zur Entstehung der indischen arbeitszentrierten Sozialpolitik in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Svenja von Jan ist seit 2017 ebenfalls in Göttingen Stipendiatin im Promotionsprogramm “Migrationsgesellschaftliche Grenzformationen”. In ihrem Promotionsprojekt geht es um die Voraussetzungen und Funktionsweisen südasiatischer Migration in europäische und amerikanische Hafenstädte zwischen 1880 und 1945.
Gemeinsame Anmerkung von Vortragenden und Redaktion:
Historische Erforschung kolonisierter Arbeitswelten ist mit Dokumenten konfrontiert, die häufig von rassistischen und sozialdarwinistischen Denkfiguren und Vokabular geprägt sind. Worin ein kritischer Umgang mit solchen historischen Materialien besteht, ist umstritten. Die Vortragenden halten es für wissenschaftlich, ethisch und politisch geboten, menschenverachtenden Sprach- und Handlungspraktiken der Vergangenheit ohne jegliche nachträgliche Verhüllung offenzulegen. In der Ausstellung “Grenzenlos. Kolonialismus, Industrie und Widerstand” im Museum der Arbeit hat sich das Ausstellungsteam hingegen dazu entschlossen, degradierende Fremdbezeichnungen wie das “N-Wort” nicht auszuschreiben.