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Zechensterben STREIK. Fotogeschichten von Arbeitskämpfen.

Mai 2022
Von Stefan Rahner

Streiks haben sich vor allem seit der Industrialisierung als ein wirkungsvolles Mittel erwiesen, um Arbeitsrechte, höhere Löhne oder kürzere Arbeitszeiten durchzusetzen. Vieles, was heute an Arbeitnehmerrechten als selbstverständlich erscheint, musste und muss immer wieder hart erkämpft werden. Fotogeschichten zu Streiks geben ein besonders eindrucksvolles Zeugnis davon; sie sind ein subjektiver Blick auf die Akteur*innen und ihre Gefühle.

“Zechensterben” ist ein Kapitel aus der Ausstellung “Streik! Fotogeschichten von Arbeitskämpfen” im Museum der Arbeit, die vom 20.05.2022 bis 03.10.2022 im Rahmen der Triennale der Photographie Hamburg zu sehen ist. 

Protest gegen die Stilllegung der Zeche Graf Bismarck in Gelsenkirchen, 19. Februar 1966, Foto Anton Tripp-Ruhr Museum Essen

Anfang der 1960er Jahre wuchsen Verunsicherung und Wut unter den Bergleuten im Ruhrgebiet: In der Nachkriegszeit waren sie die Garanten für den Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder gewesen, jetzt wurden zahlreiche Zechen geschlossen. Die Kohleflöze lagen immer tiefer und der Abbau wurde damit immer aufwändiger, gleichzeitig war Erdöl billig und so verschärfte sich der Kostendruck weiter. Als 1966 die hochmoderne Zeche Graf Bismarck in Gelsenkirchen mit 7.000 Arbeitsplätzen geschlossen werden sollte, wirkte dies wie ein Schock. Die Zukunft vieler Bergwerke, die zum Teil seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestanden, war in Frage gestellt. Über hundertfünfzig Jahre lang hatte der Bergbau die Region und das Leben der Menschen geprägt; er war zum Kern der Ruhrgebietsidentität geworden. An vielen Orten formierten sich Proteste, die IG Bergbau und Energie rief zum Streik auf.

Letzter Fördertag im Bergwerk Minister Stein in Dortmund, 31. März 1987, Foto: Manfred Scholz/Ruhr Museum Essen
Sprengung des Fördergerüsts von Schacht 9 der Zeche Graf Bismarck in Gelsenkirchen, 26. Juli 1968, Foto: Anton Tripp/Ruhr Museum Essen

Die Fotografen Anton Tripp (1911-1991) und Manfred Scholz (1934-1996) begleiteten die Proteste gegen die Zechenschließungen und andere soziale Protestbewegungen über lange Jahre im Auftrag von Gewerkschaften und linken Zeitungen. Ihre Nachlässe befinden sich im Fotoarchiv des Ruhr Museums Essen.

Der öffentliche Druck auf die Landes- und Bundesregierungen in Düsseldorf und Bonn wurde so groß, dass 1968 die Ruhrkohle AG als Auffanggesellschaft für die Zechenbetriebe gegründet wurde. Über Jahrzehnte wurde der Abschied vom Steinkohlebergbau mit Milliardensubventionen wie dem „Kohlepfennig“ sozialverträglich organisiert. 2018 stellte mit Prosper Haniel die letzte Schachtanlage im Ruhrgebiet ihre Förderung ein.

Mahnwache von Bergmännern auf dem Kennedyplatz in Essen, 5. November 1964, Foto: Anton Tripp/Ruhr Museum Essen
Letzte Schicht auf der Zeche Graf Bismarck Schacht 1/4, Gelsenkirchen, 29. September 1966, Foto: Anton Tripp/Ruhr Museum Essen