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Ekstatische Umarmung Die Skulptur "Der Fischer"

September 2017

Wer das Vestibül des Jenisch Hauses betrifft, wird zuallererst von einer Skulptur begrüßt, die ein Paar in ekstatischer Umarmung darstellt. In ihrer antikisierenden Anmutung scheint die Plastik für das klassizistische Interieur wie gemacht zu sein – jedoch hat sie den Weg ins Foyer erst später gefunden.

Die freiplastische Skulptur wurde 1887 vom Altonaer Bildhauer Johannes Ude (1858 – 1893) aus Carrara-Marmor gefertigt. Inspiriert ist die Figur von Goethes Ballade gleichen Namens, in der der Dichterfürst die erotisierenden, aber eben auch dämonischen Kräfte des Wassers beschwört. Uhdes Skultur versteht sich als bildhauerische Umsetzung der vorletzten Verszeile des Gedichts “… halb zog sie ihn, halb sank er hin…”

Ursprünglich für das Schloss der Hamburger Familie Donner in Auftrag gegeben, kam die Plastik als Geschenk des Freiherrn Conrad Hinrich K. von Donner (1876 – 1937) zunächst ins Altonaer Museum, dessen Empore sie lange Zeit schmückte, später aber ins Jenisch Haus. Der Bildhauer Uhde studierte an der Dresdner Akademie, die damals unter der Leitung des Professors Johannes Schilling (1828 – 1910) stand. Von ihm stammte die Idee, das Gedicht “Der Fischer” plastisch darzustellen, und er war von Uhdes erstem Entwurf sofort begeistert. Dem Bildhauer jedoch fehlten die finanziellen Mittel, die ihm erst durch den Auftrag der Etatsrätin Helene Donner (1819 – 1909), der Mutter des großzügigen Schenkers, zur Verfügung standen.

“Der Fischer”

Johann Wolfgang von Goethe, 1779

Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Teilt sich die Flut empor:
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
»Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie’s Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter, wie du bist,
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ew’gen Tau?«

Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll,
Netzt’ ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll
Wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war’s um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.